Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Entfernung eines Melanoms, ehe es um sich greift. Kurzum, er ist das Risiko mit meinem Segen eingegangen. Und trotzdem kann ich die Sorge nicht überwinden. Ich befürchte, daß Warden Dios sich Schwierigkeiten einbrockt.«
Nornas Entgegnung glich kaum mehr als einem gedämpften Brummein inmitten des wirren Gefasels und Getönes der TV-Apparate. Doch aus irgendeinem Grund verstand Holt sie so deutlich, als drängen die einzigen Laute im Raum aus ihrem Mund.
»Ich glaube, er verursacht dir Schwierigkeiten.«
Holt mußte lachen. »Nun mach aber mal ’n Punkt, Mütterchen. Sei keine Schwarzmalerin. Sonst regst du dich nur unnötig auf. Wir sprechen über Warden Dios. Ich habe ihn zu dem gemacht, was er ist, nämlich meine rechte Hand. Er kann nicht einmal zum Klo gehen, ohne daß ich davon meinen Nutzen habe…«
Voraussichtlich hätte er weitergesprochen; doch seine Prahlerei verklang, als er sah, daß Norna mit knorrigem, zittrigem Finger auf einen der TV-Apparate zeigte.
Zuerst konnte er nicht feststellen, auf welchen. Meinte sie diese Filmromanze? Nein, eine Nachrichtensendung. »…eine Sondermeldung«, sagte markig irgendwo mitten in dem unerträglichen Blahblah ein Männergesicht ohne Hirn, aber in gebieterischem Ton.
Sondermeldung? Welche Sondermeldung? Im Human-Kosmos ereignete sich nichts, von dem Holt Fasner nicht davor gewußt hätte; er erlaubte nicht, daß Unvorhergesehenes geschah.
»Ein hochrangiger Informant beim Direktor des Ressorts Öffentlichkeitsarbeit der VMKP im VMKP-HQ hat die Mitteilung bestätigt, daß der Raumpirat Angus Thermopyle aus der Haft geflohen ist.«
Plötzlich rieselte ein Kribbeln an Holts fast noch kraftvollem Rückgrat hinab und zog ihm den Hodensack zusammen.
»Kapitän Thermopyle«, erklärte der Männerkopf, als wäre er mehr als lediglich Teil einer lebensechten, sprechenden Puppe, »ist ein Illegaler, der vor rund sechs Monaten auf der KombiMontan-Station festgenommen, verurteilt und später auf Anordnung des Direktors der VMKP-Abteilung Datenakquisition, Hashi Lebwohl, ans VMKP-HQ ausgeliefert worden ist. Die VMKP-Abteilung Datenakquisition hat nie Gründe für ihr Interesse an Kapitän Thermopyle verlautbaren lassen. Aber wie unser Neuigkeitenteam schon damals berichtet hat, ist Thermopyle kein gewöhnlicher Illegaler. Weithin betrachtet man die Umstände seiner Verhaftung und Verurteilung als ausschlaggebenden Faktor bei der kürzlichen Verabschiedung des sogenannten Autorisierungsgesetzes durch das Erd- und Kosmos-Regierungskonzil. Anscheinend hatte Kapitän Thermopyle durch einen Verräter im Stationssicherheitsdienst der KombiMontan-Station bei seiner Piraterie Beihilfe erhalten. Daraus resultierende Zweifel an der Verläßlichkeit der im Human-Kosmos aktiven Stationssicherheitsdienste überzeugten die Abgeordneten des EKRK von der Notwendigkeit des Autorisierungsgesetzes. Daß es Kapitän Thermopyle gelungen ist, aus dem VMKP-HQ zu entfliehen, muß als beunruhigend genug eingeschätzt werden. Aber unser Informant beim Direktor des Ressorts Öffentlichkeitsarbeit der VMKP hat eingeräumt, daß die Situation noch weit ernster ist, als sie zunächst den Eindruck erweckte. Die Problematik dreht sich um einen Mann namens Milos Taverner, bis dato Stellvertretender Leiter des Stationssicherheitsdienstes der KombiMontan-Station.«
Ach du Scheiße, dachte Holt. Die Beklommenheit breitete sich aus seinem Unterleib auf den Brustkorb aus. Seine Lungen schmerzten, als drohte er nun ernstlich zu altern.
Wie alle Plastinauten kannte auch der Männertorso der Nachrichtensendung keinerlei Rücksicht. »Weil Stellvertretender Sicherheitsdienstleiter Milos Taverner auf der KombiMontan-Station die Verantwortung für die Vernehmung Kapitän Thermopyles trug, wurde er, ebenfalls auf Anordnung des Direktors der VMKP-Abteilung Datenakquisition, zusammen mit Kapitän Thermopyle ins VMKP gebracht. Damals lautete die Begründung, Stellvertretender Sicherheitsdienstleiter Taverner sei von der VMKP-Abteilung Datenakquisition angefordert worden, um die Befragung Kapitän Thermopyles fortzusetzen. Angeblich sollte er über den Häftling einen einzigartigen, unermeßlich wertvollen Kenntnisstand haben. Jetzt ist jedoch durch unsere Informationsquelle die Einlassung gemacht worden, daß man Stellvertretenden Sicherheitsdienstleiter Taverner nicht um seines besonderen Wissens willen ins VMKP-HQ beordert hatte, sondern wegen des Verdachts, er
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