Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
Hand; Berater, die sich vorgebeugt hatten, um etwas zu flüstern, blieben stumm.
In Warden Dios’ Schläfen wurde das Pochen merklich stärker.
»Vorhin war die Rede von der Verhaftung und Verurteilung Kapitän Angus Thermopyles in der KombiMontan-Station«, sagte Len. Warden fragte sich, wieviel Verstörung seine IR-Optik jetzt bei ihm gemessen hätte, wäre der EKRK-Vorsitzenden persönlich zugegen gewesen. »Wie Sie wissen, haben diese Geschehnisse schon bei vorangegangenen Anlässen in Konzilsdebatten eine größere Rolle gespielt.« Beispielsweise der Diskussion um das Autorisierungsgesetz. »Nicht bekannt ist Ihnen jedoch vielleicht, daß manche Konzilsdeputierte bezüglich dieser Vorgänge Fragen aufgeworfen haben, auf die uns nie erschöpfende Antworten gegeben worden sind. Infolge der Flucht Kapitän Thermopyles sind diese Fragen jetzt mit neuer Dringlichkeit wieder akut geworden. Konzilsdeputierte Martingale, möchten Sie dazu aus Ihrer Sicht das Erforderliche sagen?«
Martingale war die Vertreterin der KombiMontan-Station.
»Polizeipräsident Dios«, ergriff sie das Wort, ohne die Augen von ihrem Computerterminal zu wenden, »meine Mandatgeber sind umfassender als jeder andere Beteiligte von dem Fall Thermopyle betroffen gewesen. Ich habe mehr Gründe zum Fragenstellen als meine Konzilskolleginnen und -kollegen, und meine Verantwortung gegenüber der KombiMontan-Station verlangt, daß ich diese Fragen ausspreche. Aber zur gleichen Zeit ist die KombiMontan-Station sorgfältigst« – nachdrücklich betonte sie das Wort – »darauf bedacht, sich vom Makel des Anscheins, als verfolgte sie ausschließlich ihre eigenen Interessen, völlig freizuhalten. Die Zuverlässigkeit unseres Sicherheitsdienstes ist aufs schwerste in Zweifel gezogen worden. Natürlich haben wir den Wunsch, uns gegen solche Vorwürfe zu wehren, aber gleichzeitig hat jede Verteidigung den Beigeschmack billiger Ausreden. Darum hat das Erd- und Kosmos-Regierungskonzil auf meine Anregung hin einen Sonderbevollmächtigten zur unabhängigen Untersuchung der Affäre ernannt. Im Hinblick auf das Protokoll erinnere ich meine Konzilskolleginnen und -kollegen daran, daß die Ernennung dieses Sonderbevollmächtigten ohne jede Rücksprache mit meinem Büro oder der KombiMontan-Station vorgenommen worden ist. Polizeipräsident Dios, sowohl mein Büro wie auch die KombiMontan-Station haben äußerst strenge Nachforschungen über sich ergehen lassen müssen. Ich hoffe, daß die Befragung, die nun Ihnen bevorsteht, ebenso außerordentlich streng ausfällt.«
Warden blinzelte gegen die Beschwerden an, die ihm das Flimmern der Bildübertragung verursachte. Nun geht es los, dachte er, während Martingale ihre Schlußsätze sprach. »Gestatten Sie, daß ich Sie mit Sonderbevollmächtigtem Igensard bekanntmache. Sonderbevollmächtigter Igensard, Sie haben das Wort.«
»Danke, Konzilsdeputierte Martingale.« Der Mann, der sich bei ihr bedankte, verließ seinen Platz hinter dem Deputierten der Ostunion und stellte sich an die Beratungstafel.
Nach einem kurzen Moment der Unruhe ergab sich im Saal wieder Stille.
Während er insgeheim die IR-Untauglichkeit der visuellen Übertragung verfluchte, sah Warden sich Maxim Igensard ganz genau an.
Selbstverständlich wußte er schon seit einiger Zeit von Igensards Ernennung. Aber daß das EKRK ihn, Dios, und Lebwohl durch Igensard befragen zu lassen beabsichtigte, hätte eine völlige Überraschung sein müssen.
Doch Warden fühlte keine Überraschung. Vielmehr empfand er Erleichterung – so gründliche Erleichterung, daß ihm im ersten Augenblick beinahe der Fehler unterlief, sie zu zeigen.
»Polizeipräsident Dios, Direktor Lebwohl, unser Gespräch ist für mich eine ganz besondere Gelegenheit«, beteuerte Igensard als erstes. »Ich wage zu hoffen, daß es uns dadurch gelingt, Licht auf einige besorgniserregende Vorkommnisse zu werfen.«
Der Sonderbevollmächtigte hatte eine nichtssagende Stimme, die zu seiner insgesamt farblosen Erscheinung paßte. Obwohl er als einziger Anwesender im Saal stand, wirkte er klein. Sein formeller grauer Anzug hatte einen Zuschnitt erhalten, der seinen ungewöhnlichen Kugelbauch verbergen sollte, allerdings ohne Erfolg; als ungewöhnlich mußte der Schmerbauch gelten, weil Igensard ganz im Gegensatz dazu schmächtige Gliedmaßen und kein Fett im Gesicht hatte. Er erweckte den Eindruck eines Menschen, der im Sturm des Lebens in jede Richtung geweht werden konnte.
Doch allem
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