Amnion 5: Heute sterben alle Götter
wußte es. Bevor er mich an Bord der Posaune gebracht, nach Kassafort geschickt und von Milos Taverner hat kujonieren lassen, hat er es gewußt. Ich weiß ’s von ihm persönlich.« Endlich fand er genug Kraft, um seiner Stimme höhere Lautstärke zu verleihen: Sein Data-Nukleus gestattete es ihm. »Er hat darauf spekuliert, daß es ihm noch nützlich ist. Und er spekuliert noch immer drauf, daß ich ihm nützlich bin. Ich habe keine Ahnung, verfluchte Scheiße noch mal, was für Pläne er verfolgt, aber ich bin mir verdammt sicher, daß er wegen dessen, zu was ich imstande bin, weiter drauf baut, daß ich ihm von Nutzen sein kann. Er benutzt uns alle, auch jetzt noch, so wie er uns seit jeher benutzt hat!«
Mit einem Mal hatte Min Donner ein vollständig ausdrucksloses Gesicht; es gab nichts von ihren Empfindungen und Gedankengängen mehr preis. Sie konzentrierte sich gänzlich aufs Verstehen dessen, was sie zu hören bekam.
Schließlich schritt Morn ein. »Das reicht, Angus.« Sie wurde kein bißchen laut. Dennoch bewegen Schwingungen innerer Kraftfülle Angus zum Verstummen. »Es bedeutet keinen Unterschied. Hier und in der gegenwärtigen Situation überhaupt nicht. Gegenseitig anschreien können wir uns deswegen später.«
Möglicherweise wünschte sie nicht, daß Vestabule ihn den Sinn seiner Darlegungen erläutern hörte.
Rabiat schwang er sich herum, drehte sich von Min Donner in Morns Richtung. Glaubst du, es schert mich, hätte er sie, wäre es ihm erlaubt gewesen, nach eigenem, freiem Willen zu handeln, über den Abstand zwischen den Andrucksesseln hinweg angeschrien, angeheult, was der verdammte Scheißkerl Vestabule mitkriegt? Ihr habt kein Recht, auf mich herabzublicken! Diesmal jedoch hinderten ihn daran nicht die Zonenimplantate; es war Morn, die ihn hemmte. Das schier unauslöschliche Weh ihres Blicks sagte ihm ihre Antwort voraus.
Solange ich das Kommando ausübe, wird an Bord niemand zu dergleichen gezwungen.
Ich verschachere keine Menschen.
Ich suche nach einer vernünftigeren Lösung.
Mikka, Waffensysteme fertigmachen zum Feuern.
Möglicherweise war sie in diesem Kreis die einzige Person, die zumindest ahnte, was die Unifikation ihm zugefügt hatte. Wenn er ihr nicht ebenbürtig sein konnte, mußte er wenigstens versuchen, ihr nicht im Weg zu stehen.
Er tat ein, zwei Schritte auf sie zu, hielt dann inne wie jemand, der zum Weitergehen zuwenig Selbstvertrauen hatte. »Sperren Sie die Ohren auf, Dios?« hechelte er zu Morns Mikrofon hinüber, statt sich gegen sie aufzubäumen. »Gefällt Ihnen, was Sie hören?«
Danach verfiel er in Schweigen, als verböten ihm die Zonenimplantate das Reden.
»Oh, ich höre Sie, keine Sorge«, bestätigte Warden Dios umgehend durchs Knistern der Statik. »Ich verstehe jedes Wort. Vestabule allerdings auch. Sie haben gerade ein Geheimnis der Amnion ausgeplaudert. Jetzt hat Vestabule noch einen Grund mehr, um sich für Krieg zu entscheiden, falls Sie sich ihm nicht stellen.« Ehe irgend jemand etwas dazu anmerken konnte, wandte er sich von neuem an Morn. »Eines möchte ich wissen, Morn. Hat Angus Ihnen von dem Vorfall mit dem Frachter Süße Träume erzählt?«
Noch einen Grund mehr…
Ein Grund mehr für alle an Bord des Polizeikreuzers, um Angus hinsichtlich der Forderung Vestabules zum Nachgeben zu nötigen.
Doch Morn zauderte nicht mit der Auskunft. »Ja, Polizeipräsident.« Ihre Stimme klang kalt wie das Hyperspatium. »Er hat es mir gestanden. Davies und ich haben es gewußt.«
»Ohne Hilfe hat er den Data-Nukleus unmöglich frisieren können«, erklärte Dios. »Ich nehme an, Sie haben ihm geholfen. Wann hat er Sie informiert? Davor oder danach?«
»Davor«, lautete Morns schlichte Antwort. »Ich wußte es, bevor ich mich dazu durchgerungen habe, ihm behilflich zu sein.«
»Ach so.«
Warden Dios verstummte. Während des Schweigens war Angus zumute, als vertickten die letzten Sekunden seines Lebens.
Als Dios abermals das Wort ergriff, hatte sich sein Verhalten gewandelt. »Sie kennen ihn besser als ich, Morn«, räumte er beinahe friedfertig ein. »Ich verlasse mich auf Ihr Urteil.«
Dann gewann seine Stimme an Nachdrücklichkeit. »Angus, sperren Sie jetzt die Ohren auf?«
Angus zuckte zusammen. »Ich versuch’s zu vermeiden«, knurrte er. Wäre er dazu fähig gewesen, hätte er geweint. »Aber ich kann Ihr Gesabber nicht aus meinem Kopf fernhalten.«
»Sie haben verdammt recht, Angus, Sie sind von mir benutzt worden.« Dios’ Worte
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