Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Bestrebungen sogar ihr verschwiegen. Sie und Morn hatten eine Gemeinsamkeit: Beide waren sie auf Vermutungen angewiesen. Wahrscheinlich konnte Min Donner auf nichts als ihren Glauben an Warden Dios bauen – und das Vertrauen in ihre Untergebenen.
Doch ihre Forderung hinterließ bei Angus keinen sonderlichen Eindruck. Ubikwe sah er nur flüchtig an; auch Min Donner streifte sein jetzt unheilvoller Blick lediglich. Danach ignorierte er die beiden.
»Das war ein genialer Schachzug von ihm«, meinte er zu Morn. Mit jeder Sekunde strotzte er stärker vor Tatendrang. In seinen gelblichen Augen glänzte Erregung. »Er hat uns die Chance gegeben, die wir brauchen.« Er klatschte den Handteller aufs Kommandopult. »Nun können wir die Sache anpacken.«
Seine neue Einstellung verschlug Morn regelrecht den Atem. Sie wußte nicht, was sie entgegnen sollte; hatte keinerlei Ahnung, wovon er eigentlich redete. Die Sache anpacken? Im Gußverband fing ihr Arm wie aus hellsichtiger Ängstlichkeit wieder zu pochen an. Er sah einen Weg, wie man Warden Dios retten könnte…
Dennoch erwiderte sie seinen Blick mit aller Festigkeit. »Verflixt noch mal«, raunte sie schwächlich, »sag mir, was passiert ist.«
Davies kam um ein oder zwei Schritte näher, blieb aber plötzlich stehen, als könnte er nicht weiter heran. Mikka hatte die Hände von der Waffensysteme-Tastatur genommen, um die Aufmerksamkeit besser auf Angus und Morn zu richten. Was haben Sie mit meinem Bruder gemacht? fragte ihr lädiertes Gesicht stumm noch einmal.
Unterdessen hatte sich Vector auf die Rücklehne des Kapitänssessels gestützt, um seine arthritischen Gelenke ein wenig zu entlasten. »Was sollen wir anpacken, Angus?« erkundigte er sich mit gerunzelter Stirn. Es schien, als stellte er Mikkas Frage mit anderen Worten. »Ich dachte, Sie wollten sich da nicht hineinziehen lassen.«
Angus beachtete Vector nicht; seine geballte Aufmerksamkeit galt ausschließlich Morn. Vielleicht hatte für ihn außer ihr nichts und niemand mehr noch Bedeutung. »Vector ist bereit zu gehen«, erinnerte er sie. »Und Davies auch. Mehr brauchen wir nicht. Du mußt folgendes tun…«
Morn fühlte sich, als ob seine Sicherheit sie erstickte. »Erst rufst du wieder Dios an. Biete ihm denselben Handel wie bisher an. Er kann Davies und Vector haben, aber weder dich noch mich. Erzähl ihm…« – er schmunzelte maliziös –, »daß ich in Krämpfe verfallen bin, es sein könnte, daß in meinem Interncomputer ’n Kurzschluß oder so was aufgetreten, mein Gehirn ’n bißchen angebraten worden wäre. Und daß du mich nicht schicken kannst, weil du keine Kontrolle über mich hast. Sag ihm, ich sähe aus, als ob ich krepierte. Oder mach ihm weis, was du willst. Er wird’s dir glauben. Schließlich führen wir ja Verhandlungen, oder nicht? Sorge dafür, daß er einwilligt.«
Morn öffnete den Mund zum Widerspruch; holt tief Luft. Aber Angus kam ihr zuvor.
»Falls er trotzdem noch Einwände hat, biete ihm die Posaune an. Selbst wenn Vestabule noch Mensch genug ist, tun aus Rachegelüst auf meiner Übergabe zu beharren, kann er über so einen Köder unmöglich hinwegsehen. Der Data-Nukleus eines VMKP-Interspatium-Scouts dürfte ’n Riesenvermögen wert sein, verflucht noch mal. Gar nicht zu reden von dem Stapel Singularitätsgranaten und dem Dispersionsfeldgenerator.«
Morn starrte ihn an, als hätte er ihr angedroht, sie abermals zu vergewaltigen. Der Druck, den er auf sie ausübte, verursachte ihr Brechreiz.
»Danach kannst du dich ganz darauf konzentrieren«, ergänzte er im Tonfall des Triumphs, »mit dem Regierungskonzil zu sprechen. Donner hilft dir. Sie bringt diese Sesselfurzer von der Regierung dazu, dir zuzuhören.« Anscheinend war er sich wirklich und wahrhaftig vollkommen sicher. Erwartungsvolle Vorfreude tanzte wie Wahnsinn in seinen Augen. »Den Rest überläßt du mir.«
Seine Worte ergaben keinerlei Sinn. Was hatte sich geändert? Was hatte Warden Dios mit ihm gemacht? Gütiger Gott, sie mußte die Ereignisse verstehen.
»Welchen Rest?« stieß sie hervor, während sie noch um Atem rang.
Er rückte mit keiner Erklärung heraus, als bereitete es ihm diebisches Vergnügen herauszufinden, wie weit er bei ihr Konfusion hervorrufen konnte. »Gib mir Mikka und Ciro mit«, verlangte er statt dessen. »Und den Dicken da.« Er deutete mit dem Kinn auf Kapitänhauptmann Ubikwe. »Leih mir die Posaune und das Kommandomodul. Dann kannst du dir jeden weiteren Gedanken an
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