Amnion 5: Heute sterben alle Götter
sie ihr Schrecken ein. »Nicht vor einer Stabilisierung des Schubs, Kapitän«, gab sie schnell zur Antwort. »Sonst war’s wie ’n völlig randomisiertes Wechseln in die Tach. Wenn keine verläßliche Hysteresis generiert wird, kann man nicht sicher sein, ob man je in die Tard zurückfällt.«
»Und wie gesagt, Kapitän, auf alle Fälle merken wir’s rechtzeitig«, bekräftigte Porson. Min hatte genug gehört. Sie widmete ihre Aufmerksamkeit wieder dem Mikrofon der Kommunikationsanlagen.
»Geben Sie acht, Leutnantin Hyland. Wir sprechen miteinander, aber die Unterhaltung führt zu nichts. Wir müssen das Gespräch sinnvoller gestalten. Sie haben furchtbare Erlebnisse hinter sich. Und wahrscheinlich glauben Sie gute Gründe zu kennen, um mir nicht zu trauen. Dafür habe ich Verständnis. Also sollten wir uns die Angelegenheit nicht unnötig erschweren. Sagen Sie mir einfach, was Sie von uns wollen.«
Sag mir, wie ich verhindern kann, daß du gegen mich bist.
Allem Anschein nach war es nun vorbei mit Morn Hylands Zögerlichkeit; zumindest vorerst. Ihre Antwort drang fast augenblicklich aus den Brücken-Lautsprechern. »Nehmen Sie uns aus der Zielerfassung«, forderte sie mit deutlicher Stimme. »Entschärfen Sie die Materiekanone. Unterlassen Sie es, uns wie Feinde zu behandeln.«
Min hob den Kopf, als hätte sie einen Hieb erhalten; blickte quer durch die Brücke Kapitänhauptmann Ubikwe an.
Sie erwartete Empörung; statt dessen rollte er belustigt die Augen. »Herrje, Direktorin«, flachste er gedehnt, »wenn sie denkt, das sei die Art, wie wir Feinde behandeln, sollte sie uns erst mal auf Reede erleben.«
Das Feuer in Mins Handflächen brannte so aufdringlich, daß es sich mit dem Schrillen des Dekompressionsalarms vergleichen ließ, warnte sie vor Verwicklungen. Für ihre Begriffe ergab Morn Hylands Haltung keinerlei Sinn. Die Maschinen der Posaune befanden sich außer Betrieb; der Interspatium-Scout war schutz- und wehrlos. Welche geistig normale Schiffsbesatzung versuchte unter solchen Umständen mit ihren Rettern zu feilschen? Auf was, zum Donnerwetter, glaubte diese Hyland sich dabei stützen zu können?
Dennoch übte Min auch jetzt ihre Autorität aus, als wäre sie sich ihrer Sache vollkommen sicher.
»Tun Sie’s, Kapitän«, befahl sie.
Ubikwe schnaufte vor Unmut; verzichtete jedoch auf Widerrede. »Sie haben den Wunsch der Direktorin gehört, Glessen. Zielerfassung der Posaune beenden. Materiekanone entschärfen. Na, wenigstens brauchen wir uns keine Sorgen wegen der Freistaat Eden mehr zu machen.«
»Aye, Kapitän«, nuschelte Glessen mißbilligend.
»Wir verlassen uns voll auf Sie, Porson«, rief Dolph Ubikwe. »Gibt dieser verfluchte Scout auch nur die schwächste Antriebsemission von sich, will ich’s sofort wissen.«
»Ich passe auf, Kapitän«, versprach der Scanningoffizier.
Min beugte sich wieder ans Mikrofon. »Ehr Wunsch ist uns Befehl, Leutnantin Hyland«, sagte sie voller Ironie. »Beachten Sie Ihre Scanningdaten. Dann ersehen Sie, daß ich mich an die Wahrheit halte.«
Eine halbe Minute lang übertrugen die Brücken-Lautsprecher aus der Weite des Weltalls nichts als eine unberechenbare Aufeinanderfolge von Partikelgeräuschen. Die Stille hallte hohl, wirkte leblos; auf unbestimmbare Weise unheilvoll. Schließlich ertönte abermals Morn Hylands Stimme.
»Danke, Direktorin Donner.« Aus Erleichterung oder vor Beklemmung hatten ihre Worte jetzt einen schwächlichen Klang. »Das hilft uns weiter.« Sie seufzte hörbar. »Nun noch eins…«
»Nein, Leutnantin Hyland«, schnauzte Min. Sie hatte den Vorsatz gefaßt, besonnen zu sein, doch inzwischen war sie am Ende ihrer Geduld. »Jetzt bin ich an der Reihe.« Morn Hylands Argwohn schabte an ihren Nerven – vielleicht weil sie wußte, daß sie es verdiente. »Ich vertraue Ihnen. Trauen Sie nun mir. Danach unterhalten wir uns über Ihre sonstigen Anliegen.«
Morn Hyland seufzte ein zweites Mal. »Ich höre.«
Min biß die Zähne zusammen. »Stellen Sie die Funksendung mit Vector Shaheeds Formel ein«, befahl sie.
Morn gab ein Zischen von sich, entweder der Entrüstung oder der Bestürzung. Wieder meinte Min, im Hintergrund eine Männerstimme fluchen zu hören.
Dolph Ubikwes Brauen rutschten nach oben, während er Min anschaute und die Lippen spitzte. Das hatte er anscheinend nicht von ihr erwartet; über die momentane Situation hinaus hatte er noch nicht nachgedacht.
»Eigentlich bin ich nicht erstaunt.« Jetzt schien Morn
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