Amnion 5: Heute sterben alle Götter
flüsterte Porson aufgeregt, »das muß die Reflektion kinetischer Anomalien gewesen sein, die wir gemessen haben. Direktorin Donner hatte recht.«
»Das brauchen Sie mir nicht erst zu erklären«, brummte Dolph Ubikwe.
»Zum Donnerwetter, Leutnantin Hyland« – ein Ansatz zur Verärgerung zeichnete sich in Mins Stimme ab –, »Sie reden zwar, aber Sie teilen mir nichts von dem mit, was ich wissen muß.«
Mit einer Singularitätsgranate? hätte sie gerne gefragt. Wie hat er denn das hingekriegt? Aber sie rief sich zur Ordnung. Nein, jetzt nur nichts komplizieren. Nicht ablenken lassen.
Mit einer Willensanstrengung erstickte sie ihren Ärger.
»Egal, Leutnantin. Auch zur Freistaat Eden stelle ich Ihnen erst später weitere Fragen. Wie ist bei Ihnen die Situation? Haben Sie außer Kapitän Succorso und Sib Mackern noch mehr Personenverluste zu verzeichnen?«
Warum treibt die Posaune? Wer hat an Bord wirklich das Sagen?
Morn Hyland reagierte von neuem mit nervenzermürbendem Schweigen.
Min tippte mit den Fingerknöcheln der Faust auf die Kommunikationsanlagen-Kontrollkonsole, um ihrer Anspannung wenigstens ein kleines Ventil zu verschaffen.
»Für eine Leutnantin«, bemerkte Dolph Ubikwe mit trockenem Humor, »bringt diese Frau ihren Vorgesetzten ein beachtliches Mißtrauen entgegen.«
Min warf ihm einen ungnädigen Blick zu. »Wir haben Succorso die Prioritätscodes überlassen«, rief sie ihm in Erinnerung. Gar nicht davon zu reden, verflucht noch mal, daß wir sie schon lange davor an Succorso verschachert hatten, damit er bei einem von Hashi Lebwohls verdrehten Plänen mitwirkt. »Wie können Sie da verlangen, daß sie zu uns großes Vertrauen hat?«
»Eine gute Frage.« Kapitänhauptmann Ubikwe lehnte seinen massigen Körper gegen die Armlehne des Kommandosessels. »Sie behaupten, daß Warden Dios hinter allem steckt. Sind Sie sicher, daß Hyland weiß, auf wessen Seite sie steht? Glauben Sie, daß sie, der Cyborg oder überhaupt irgend jemand da an Bord ’ne Ahnung hat, welches Verhalten Warden Dios sich von ihnen vorstellt?«
Min äußerte sich nicht zu seinen Fragen. Sie lauerte auf Morn Hylands Antwort.
Statik rauschte aus den Lautsprechern.
»Direktorin Donner«, erkundigte sich Morn Hyland, die Stimme noch immer gedämpft infolge des Abstands von den Kommunikationsanlagen, »darf ich fragen, welche Absichten Sie haben? Wir befinden uns in Ihrer Zielerfassung. Haben Sie vor, auf uns zu schießen?«
Die OA-Direktorin verkniff sich eine grobe Entgegnung. »Das hängt davon ab«, bekannte sie in herbem Ton, »ob Sie noch einmal versuchen, uns davonzufliegen.«
Für wen hältst du mich eigentlich?
Dieses Mal antwortete Morn ohne jedes Zögern. Zu dieser Auskunft hatte sie sich schon entschlossen. »Das können wir gar nicht«, erklärte sie unumwunden. »Unsere Motoren liegen still.«
Fortwährend gelang es ihr, Antworten zu erteilen, ohne Min zu offenbaren, was die Direktorin zu erfahren wünschte.
Kapitänhauptmann Ubikwes Blick fiel auf den Scanningoffizier.
Porson hob die Schultern. »Wahrscheinlich spricht sie die Wahrheit, Kapitän. Gegenteiliges kann ich nicht feststellen. Die Bordkanonen der Posaune sind nicht geladen, soviel steht außer Frage.«
»Und wenn sie uns zu täuschen versucht?« meinte Dolph Ubikwe. »Wenn man die Antriebe abgeschaltet hat und einen Kaltstart wagt?«
Diesmal ließ die Direktorin Morn Hyland warten. Erst wollte sie sich anhören, was man ringsum diskutierte.
Der Scanningoffizier machte eine zweifelnde Miene. »Ich kann mir nicht vorstellen, inwiefern das von Vorteil wäre, Kapitän. Bei kalten Triebwerken ist der Schub anfangs ungleichmäßig. Bis zum Warmwerden der Düsen könnte die Posaune kaum manövrieren. Dadurch würden wir ausreichend vorgewarnt. Voraussichtlich sind wir auf alles zu reagieren imstande, was sie unternimmt.«
»Sie ist schon auf Kernschußweite, Kapitän«, bemerkte Glessen, ohne gefragt worden zu sein. »Ich glaube, ich würde sie nicht mal absichtlich verfehlen.«
»Seien Sie ja nicht voreilig, Glessen«, ermahnte Ubikwe ihn mit scharfem Nachdruck. »Es ist möglich, daß die Leutnantin die Wahrheit sagt. Man hat schon Pferde kotzen sehen.« Seine nächsten Fragen galten Bydell. »Wie steht’s mit dem Ponton-Antrieb, Bydell?« wollte er wissen. »Könnte der Scout uns entwischen, indem er Schub ausschließlich fürs Überwechseln in die Tach aufwendet?«
Bei dieser Vorstellung sperrte Bydell die Augen auf: Anscheinend jagte
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