Amnion Omnibus
Ich habe bloß zuviel Kat genommen. Weil ich nicht wußte, wie lange...« – sie spürte Beschwerden in sämtlichen Muskeln – »der Hoch-G-Flug dauert.« Unverwandt starrte Orn Vorbuld sie stumm an.
»Wer hat es dir gegeben?« erkundigte sich Vector. Nick hatte nicht befohlen, ihr Medikamente zu verabreichen.
»Ich hatt’s dabei. Aus dem Medizinschrank der Strahlenden Schönheit. Sobald ich wußte, daß ich das HyperspatiumSyndrom hatte, hab ich mir was geklemmt. Ihm wollte ich nicht trauen.“
Letzteres bedurfte wohl kaum der Erwähnung. Wahrscheinlich konnte Vector sich denken, daß sie Angus Thermopyle meinte.
Unverändert maß der Bordtechniker sie mit aufmerksamem Blick.
»Hoch-G löst es aus, hast du gesagt. Und woher weißt du, wann es vorbei ist?« Um ihn zu beruhigen, rang Morn sich ein mattes Lächeln ab. »Sehe ich wie jemand aus, der an Selbstvernichtung denkt?« Vectors Schmunzeln hatte rein gewohnheitsmäßigen Charakter; es besagte eigentlich überhaupt nichts. Morn konnte ihm nicht anmerken, ob er ihr glaubte, oder nicht.
Anscheinend glaubte er ihr. Einen Moment später trat er an ihr vorbei zu dem Interkom-Apparat an der Wand neben dem Lift.
»Ich habe den Eindruck, sie ist drüber weg«, gab er jemandem durch.
»Ich gehe mit ihr in die Kombüse, damit sie was zu essen kriegt.« Ohne auf Antwort zu warten, wandte er sich an seinen Kameraden.
»Du mußt nun endlich pennen, Orn. Wenn du dich nicht hinhaust, kippst du aus den Latschen.“
Orn schien den deutlichen Hinweis, daß er sich entfernen sollte, nicht gehört zu haben. Er beäugte Morn aus verkniffenen Augen, als nähme sie auf irgendeine Art und Weise an Helligkeit zu und würde bald zu grell leuchten, als daß man sie noch länger anschauen könnte.
»Du bist Nick über«, sagte er mit dem Gebaren eines Menschen, der zu einem schwierigen Befund gelangt. Sein Ton klang nach Schüchternheit; auch diesmal hörte seine Bemerkung sich an, als stellte er eine Frage.
Er hob eine seiner klobigen Hände und strich Morn übers Haar.
Dann drehte er sich um und ging.
Morn beachtete ihn gar nicht. Kaum daß Vector die Wörter ›Kombüse‹ und ›essen‹ ausgesprochen, wurde ihr bewußt, daß sie seit dem Verlassen der Strahlenden Schönheit nichts mehr zu essen bekommen hatte. Ihre Schläfrigkeit hatte sich fast verflüchtigt, aber die Schwäche war geblieben. Sie benötigte Essen.
Behutsam zog Vector sie am Arm und drückte die Taste des Lifts.
»Orn ist irgendwie ‘ne ganz komische Art von Genie«, sagte er und schob Morn, sobald die Lifttür sich geöffnet hatte, in die Aufzugkabine.
»Erst einmal ist er unheimlich gut im Verarbeiten von Daten, hauptsächlich weil er mit Computern wahre Wunder tun kann. Und um zu wissen, daß er sich mehr als genug mit Krankenrevieren auskennt, braucht man ihn ja bloß anzugucken. Leider hat er Drüsen wie ein Affe.« Versuchte der Bordtechniker sie zu warnen? Morn tat die Frage vorerst ab. Ihr Gehirn konnte sich nur mit einer Angelegenheit nach der anderen befassen. Vector hatte das Kontrollgerät nicht entdeckt. Er brachte sie nicht ins Krankenrevier. Das genügte für den Moment. Nun wollte sie etwas essen.
Die Kombüse war leer, als sie dort eintrafen. Die Käptens Liebchen mußte schon vor einer ganzen Weile Schub zurückgenommen und die übrige Besatzung Gelegenheit gehabt haben, eine Mahlzeit einzunehmen. Vector ließ Morn sich an den Tisch setzen, tippte Bestellungen in die Menütastatur der Automatikküche und machte sich anschließend ans Kaffeekochen.
Beiläufig bemerkte Morn erneut, wie steif er sich bewegte. Ihr gesamtes sonstiges Bewußtsein galt nur dem Gedanken an Essen und dem Duft des Kaffees. Eines nach dem anderen.
Sobald er ihr ein Tablett mit dampfend-warmer Speise vorsetzte, verzehrte sie alles, ohne sich darum zu kümmern, wie gut die Mahlzeit schmeckte. Momentan interessierte es sie nicht einmal, was er ihr serviert hatte.
Er aß ihr gegenüber am Tisch. Vermutlich hatte er selbst Hunger, aber er vermied jede Hast. Morn war wesentlich früher als er fertig.
Als er sah, daß sie gegessen hatte, stand er auf, füllte Kaffee in zwei Becher, stellte sie auf den Tisch und nahm wieder Platz. Wortlos aß er weiter, räumte Morn Zeit ein, um eine gewisse Gefaßtheit zurückzugewinnen. Vielleicht hatte er seine Gründe, weshalb er wollte, daß sie
sich beruhigte. Oder vielleicht war er von Natur aus höflich; oder sogar ein gütiger Mensch. Was seine Motive auch sein
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