Amnion Omnibus
»Allerdings ist ganz leicht nachzuweisen, daß Direktor Lebwohl seit mehreren Wochen keine KMOS-SAD-Chips benutzt hat. Und erst recht nicht speziell diesen Chip.“
Während des Weitersprechens atmete sie immer mühsamer. Die Lautsprecher übertrugen Anklänge der äußersten Erschöpfung. Sie stand am Rand ihrer körperlichen Grenzen.
»Offensichtlich fallen der ID-Plakette und dem Dienstausweis entscheidende Bedeutung zu. Sie liefern uns den deutlichsten Hinweis auf die Herkunft des Kaze.
Wie sind sie frisiert worden, um vorzutäuschen, Nathan Alt sei Clay Imposs? So etwas gilt ja als ausgeschlossen. Es ist unmöglich, solange man keine genaue Kenntnis des Codieromaten hat, der Identifikationsdaten für die EKRK-Schutzdienst-Legitimationen generiert.
Und damit kommen meines Erachtens die Transnationalen Terratreuen nicht in Frage. Davon abgesehen ist eine Fälschung jederzeit ersichtlich. Das heißt, wenn man weiß, woran man sie erkennt. Man kann auf KMOS-SAD-Chips gespeicherte Daten nicht überschreiben, sondern nur neue Informationen hinzufügen. In diesem Fall allerdings ist der Chip gar nicht frisiert worden. Es hat kein Mißbrauch der ursprünglichen Id-Plakette Clay Imposs’ stattgefunden. Vielmehr verwendete man eine neue Id-Plakette, deren Chip so beschrieben wurde, daß sie Nathan Alt als Clay Imposs ausgibt. Das ist leichter zu machen und schwieriger festzustellen. Aber man muß dafür neue Chips haben.
Normalerweise ist das ein Riesenproblem. Und obendrein muß man sich mit dem Codieromaten auskennen.
Ein noch größeres Problem. Tatsächlich dürfte der Codieromat eines unserer am besten gehüteten Geheimnisse sein. Trotzdem kannte Nathan Alt ihn. Beziehungsweise kannte ihn, bis seine Entlassung erfolgte.« Sie schnaufte leise. »Als VMK— Sicherheitsverbindungsmann zum Anodynum-Systemewerk hat er schließlich an der Erstellung der Codieromaten mitgearbeitet.« Harbingers angestrengte Atmung marterte Koinas Nerven aufs äußerste. Die Zeit lief ab: Inzwischen konnten höchstens noch fünfzehn Minuten Flugzeit das Rächer-Kommandomodul und die Posaune von der Amnion-Defensiveinheit trennen. Von Alts Tätigkeit beim Anodynum-Systemewerk hatte sie längst Kenntnis. Sie mußte endlich irgend etwas hören, das etwas nutzte.
»Auf was läuft das alles hinaus, Dr. Harbinger?« fragte sie. »Welche Schlüsse haben Sie gezogen?« Lane Harbinger gab keine direkte Auskunft. »Am interessantesten dürfte an der Id-Plakette sein«, antwortete sie, »daß sie noch ganz neu ist. Nicht nur die Programmierung ist erst kürzlich vorgenommen worden.
Der Chip selbst ist auch neu. Wir haben ihn in einer regulären, vor drei Wochen erfolgten Lieferung an den VMK-Betriebsschutz registriert gefunden. Gemäß BS— Aufzeichnungen wurde zehn Tage später vom Büro des Anodynum-Systemewerk-Sicherheitsverbindungsmanns ein Chip angefordert und dieser Chip dort hingeliefert.
Zum Gebrauch bei der Erprobung von Chiffriertypen.
Also ging der Chip an Anodynum, wo die Code— Ausarbeitung geschieht. Danach muß der Verräter ihn an sich gebracht haben.“
Laut zitterte ihr Atem aufs Mikrofon. »Aber es heißt ja«, fügte sie dann spöttisch hinzu, »Alt sei vor sechs Wochen entlassen worden. Sie sehen das Problem selbst. Wie kann ein Mann, der die Kenntnisse zur Falschfabrikation einer Id-Plakette hat, nahezu viereinhalb Wochen nach seiner Entlassung noch einen KMOS SAD-Chip aus seinem Büro in die Finger kriegen?“
Unwillkürlich stockte Koina der Atem. Es schien, als glaubte ihr Körper, Lane Harbingers Stress mildern zu können, indem er ebenfalls die Luft anhielt.
»Wir haben vorhin eine legitime Durchsuchung der Aufzeichnungen des Anodynum-Systemewerks abgeschlossen. Insbesondere haben wir uns mit den Computern beschäftigt, die Anodynum für die Erstellung der Codieromaten verwendet. Leicht waren die Ermittlungen nicht. Diese Geheimnisse werden, wie erwähnt, gut geschützt. Man braucht drei verschiedene Paßwörter gleichzeitig. Fehlt eines, helfen die beiden anderen nicht weiter. Aber auf jeden Fall, es ist uns zu klären gelungen, daß der Chip auf Weisung des Sicherheitsverbindungsmanns benutzt wurde, um Methoden zur Id-Plaketten-Fälschung auszuprobieren. Und vor vier Tagen ist derselbe Chip vom Büro des Sicherheitsverbindungsmanns zurückgefordert worden…« Diesmal drang aus den Saallautsprechern ein Gähnen, das Harbinger nicht mehr unterdrücken konnte.
»In beiden Fällen hat Nathan Alt die
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