Analog 04
dachte mir, der Zauberer habe vielleicht keine Lust, morgens um sieben aufzustehen und fünfhundert Meilen zu fahren, um sich ein zerbrochenes Gerät anzusehen, und ich hatte recht. Er hatte tatsächlich keine Lust.“
„Aber, verdammt noch mal, Eddie, die Dinger sind gefährlich. Während einer fünfhundert Meilen langen Fahrt … stell dir doch einmal vor, er hätte versucht, dir die Pistole abzunehmen, und sie wäre losgegangen?“
Eddie zog die Pistole, zielte an die Decke und drückte auf den Abzug. Es klickte nur leise, als der Hahn sich löste, und dann folgte ein unerklärliches Rauschen. Eddie ließ die Trommel rotieren. Die Pistole versicherte mir mit lauter, quäkender Stimme, sie könne über Nacht meine Pickel ohne schmierige Salben oder ölige Wattebäusche beseitigen.
Es blieb ihr sogar genug Zeit, ihren Spruch zu Ende zu bringen, die Zeit anzusagen und die Nummer drei der Hitparade anzuspielen, bevor die sintflutartige Woge von Gelächter und Beifall sie erstickte. Montoya hörte auf, die verwundete Lady zu trösten, um sich dem anzuschließen, und als er mit seiner Stimme durchdringen konnte, rief er: „Mein Freund, Sie hätten mich mit nichts Entsetzlicherem bedrohen können als mit erzwungenem Rundfunkkonsum.“ Darüber konnte Eddie sich nicht beruhigen, und er warf die „Pistole“ in den Kamin.
Schließlich einigten wir uns darauf, daß Eddie und Montoya Lady Macbeth in Eddies Wohnung bringen und dort etwas schlafen sollten. Am nächsten Morgen würden sie zusammen zu Montoya fahren. Von dort sollte Eddie mir die versprochene Leihgitarre zurückbringen, und wenn er wieder zurück war, wollten wir eine Session veranstalten. Ich mußte Montoya versprechen, diese Session auf Band aufzunehmen und ihm eine Kopie zu schicken.
Eines führte zum anderen, und als der Abend zu Ende war, war ich ungefähr genauso blau wie am Abend vorher. Dieses Mal aber war es ein glücklicher Rausch und nicht ein unglücklicher, und das ist ein Riesenunterschied. Ein solcher Rausch mag ebenso stark sein, aber er trägt einen anderen Charakter. Im Gegensatz zu einer weitverbreiteten Meinung ist Alkohol keine gute Droge gegen Schmerzen. Er kann zwar körperliche Schmerzen dämpfen, wird aber Kummer nicht mildern; dann ist er nur insofern eine Hilfe, als er einem Mann das Weinen oder Fluchen erleichtert. Ist man dagegen glücklich, ist Alkohol eine hervorragende Sache: Er kann Freude intensivieren. Daher war er bei dieser Gelegenheit geradezu perfekt – er betäubte mich gegen die Schmerzen meines ersten Katers und steigerte meine Euphorie. Meine Lady war gerettet, sie würde wieder singen. Meine Freunde, die vorher meinen Kummer geteilt hatten, teilten nun meine Freude. Ich tanzte mit Josie und Eddie und Rachel und Leslie. Ich löste die Abteilung III von Docs Rätsel auf und riet jede Frage ohne einen Fehler. Ich redete auf Tommy ein, bis er sich über einen alten Freund keine Gedanken mehr machte, und brachte ihn zum Lachen. Eddie setzte sich an das Klavier, alle anderen sangen als Raclettes mit, und ich gab „What I Say“ zum besten, und zwar siebzehn Strophen davon. Eine gute halbe Stunde lang untersuchte ich die Maserung der Bar ganz genau und erfuhr daraus eine ganze Menge über Aufbau und Ziel des Universums. Ich sprang auf die gleiche Bar und lieferte einen Matrosentanz – auf meinen Händen. Danach wurde alles ein wenig vage, und Halluzinationen stellten sich ein – ich glaube zumindest nicht, daß wirklich auch Pferde als Gäste zugegen waren.
Kurze Zeit später schien es ungewöhnlich still zu sein. Das einzige Geräusch war das stetige Fluchen meines Pontiacs und das Zischen von durchschnittener Luft. Ich öffnete meine Augen und beobachtete die weißen Linien, die auf mich zukamen.
„Pjotr, alter Saufkumpan. Nein – Wasserkumpan, du säufst ja nichts. Warum säufst du nichts, Pjotr? Schmeckt gut.“
„Schlechter Magen. Ruh dich aus, Jake, bald sind wir da.“
„Ich hoffe, morgen habe ich nicht auch wieder einen Kater. Das war grauenhaft. Mensch, mein Hals tut mir immer noch weh …“ Ich fing an, ihn zu reiben. Pjotr nahm meine Hand davon weg.
„Laß ihn in Ruhe, Jake. Ruh dich aus. Heute abend passe ich auf, daß du deine beiden Aspirin nimmst.“
„Alles klar. Du bist die Lilie auf dem Feld, Mann.“
Kurze Zeit später trat in meinem Mund Feuchtigkeit in besorgniserregendem Ausmaß auf, und als ich sie herunterschluckte, spürte ich, wie die beiden Aspirin hinunterglitten. „Guter
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