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Analog 06

Analog 06

Titel: Analog 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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immer belustigt waren.
    In dem Hof bildeten wir einen Kreis, in dem Karnev und ich uns gegenüberstanden. Vekkar schob seinen Hut zurecht, streckte seine Unterlippe nach vorn und senkte seine Stimme.
    „Die Schiffe müssen nun gezeigt werden“, verkündete er feierlich.
    Karnev trat in die Mitte des Kreises. Wieder nahm er den Schiffsrumpf und hielt ihn vor sich hoch, aber dieses Mal konnten wir ihn sehen.
    Das Holz war fast rot. Es war zu einer solchen Glätte poliert und eingewachst worden, daß es das Licht reflektierte. Es war wie die Spitze eines Pfeils, wie die vergrößerte Klinge eines Speers; es floß wie Wasser vom Bug bis zum Heck. Es wäre unmöglich gewesen, es mit der hier verfügbaren Technologie zu bauen, aber es konnte geschnitzt werden, und wenn es möglich gewesen wäre, es zu bauen, dann wäre es der beste Rumpf gewesen, um das Wasser in dem ganzen, riesigen Meer zu durchschneiden. Das Konzept Schiff war hier zu seiner letzten Bedeutung verfolgt worden, und es war ein Symbol für Karnevs Leben.
    Ich bemerkte nur, daß es kein praktikabler Entwurf war und daß man die Praktikabilität meines Rumpfs nicht in Frage stellen würde.
    Was die anderen jedoch bemerkten, das war der glänzende Rumpf selbst. Das allgemeine Ausatmen war ein Zeichen ihres Respekts. Sie standen voller Staunen.
    Vekkar brauchte einen Moment, um über dieses Modell hinwegzukommen, denn so etwas hatte er noch nie gesehen. Dann schüttelte er den Kopf. Und sah mich an.
    „Handelaston“, fing er an.
    Ich hatte ihn vorweggenommen. Ich stand auf und trat in den Kreis. Meine Schöpfung war noch immer von dem Tuch verhüllt. Mit dem Tuch darüber streckte ich sie aus, wie Karnev es getan hatte, und dann ließ ich die Decke davon herabgleiten. Ich sagte nichts.
    Einen Augenblick lang blieben auch alle anderen still und starrten entsetzt.
    Der Schiffsrumpf, den ich vor mir ausstreckte, bestand aus weißer Plastikmasse, und was er auch sonst noch sein mochte, schön war er jedenfalls nicht. Im nautischen Lexikon finden sich keine Wörter, um dieses Schiff von den Sternen zu beschreiben. Es hatte nicht eine ungebrochene Linie, das Bug war breiter als das Heck und der Querbalken schmaler als beide. Es war eine verschnürte Zwiebel, eine Erbsenschote mit Erbsen darin. Komplizierte Kurven schlängelten sich unmöglich an seinem Sprung entlang, Sonnenlicht glänzte von einem Dutzend auffälliger Stellen. Ich hielt es vor mir hoch und fragte mich, wie es wohl auf mein Publikum und vor allem auf Karnev selbst wirken würde.
    Die erstickte Stille wurde endlich unterbrochen – durch Gelächter!
    Sie hatten es für einen Scherz gehalten, hatten kaum das Kichern unterdrücken können und sich dabei nervös schuldig gefühlt, und jetzt war es tatsächlich ein Scherz, bei Gott! Die jungen Männer brachten es nicht fertig, in dem Kreis zu bleiben. Sie drängten sich nach vorn und hätten mir den Rumpf aus der Hand gerissen, wenn ich das zugelassen hätte. Sie prusteten und pfiffen, als drehe sich die Welt in einem Karussell. Vekkar sank japsend in den Sand.
    Karnev schob sich mit vor Wut blitzenden Augen zu mir durch.
    „Du verspottest mich, Zwerg!“ tobte er. „Ich sollte dich zerbrechen!“
    Ich beantwortete seinen Blick so kühl wie ich konnte.
    „Sie spotten“, sagte ich. „Ich nicht.“
    Wir starrten einander schweigend an, und er erkannte, daß ich recht hatte. Seine Hände schlossen sich um meinen Schiffsrumpf.
    „Ist das dein Schiff?“
    „Das ist mein Schiff.“
    „Dann hast du verloren!“
    „Ich glaube nicht. Sie sind nicht ausprobiert worden.“
    Er schwang seinen Arm zu der tobenden Menge hin.
    „Das Urteil ist gefällt worden. Sie halten dich für verrückt. Du hast verloren.“
    „Was bedeutet mir ihr Gelächter?“
    „Es bringt Schande über dich. Du hast verloren.“
    „Es bringt keine Schande über mich. Karnev, der Schiffbauer lacht nicht.“
    „Auch ich lache“, sagte er.
    Er warf seinen Kopf zum Lachen zurück, aber er konnte es nicht. Seine Hände umfaßten noch immer den Rumpf, seine Finger glitten über seine Biegungen, er konnte ihn nicht loslassen. Vielleicht wollten diese Finger sprechen, ihm von Druckzonen berichten, von dynamischen Kräften, von Kampfflugzeugen mit Wespentaillen und von Hydrodynamik, von tausend Dingen, die er niemals wissen konnte, die seine Finger aber – wissende, starke Finger – fühlen konnten. Er lachte nicht. Er sah mir in die Augen, und er konnte nicht lachen. Seine andere

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