Anastasija 06 - Widrige Umstände
Tschernyschew, ein Busenfreund und Kollege von unserem Larzew, aus der Gebietsverwaltung.«
»Sehr angenehm«, murmelte Nastja, öffnete die Puderdose und sah in den Spiegel. »Mein Gott, ich sehe ja aus!«
Auf ihrem Gesicht lag eine dekorative Mischung aus Staub, Schmutz und verlaufenem Make-up, besonders dort, wo die Hundezunge drübergefahren war. Sie verband ihr Knie mit einem Taschentuch, zog den unversehrten Schuh aus und wollte aufstehen.
»Andrej, fahr sie nach Hause«, ordnete Gordejew an.
»Und Sie?«
»Ich warte auf Alexander Jewgenjewitsch. Ist doch unschön sonst: Da kommt der Mann extra her mit so viel Geld, und dann ist keiner da.«
Nastja war wieder ganz die Alte.
»Hat er viel Geld dabei? Nur interessehalber – wie viel kostet es, mich umzubringen?«
»Deine Neugier ist ungesund, Anastasija. Sag mir lieber: Warum hast du den Gallier dazu gebracht, sich zu duschen?«
»Ich wollte, dass er sich auszieht. Er hat die Sachen auf die Waschmaschine gelegt, und ich hab meine Ellbogen darauf gestützt. Der Duschvorhang von Ihrem Sohn ist doch undurchsichtig. Ich hab allerdings nur die Hemdtaschen kontrollieren können. Gut, dass die Hausapotheke direkt auf der Waschmaschine steht. Aber die Hände haben mir gezittert, als würde ich Hühner klauen.«
»Schlecht. Ein unkluges Risiko, er hätte dich erwischen können. Aber beim ersten Mal verzeih ich dir das noch.«
»Haben Sie eine Waffe bei ihm gefunden?«
»Er trug ein ganz raffiniertes Ding bei sich. Einen Mini-Elektroschocker, so groß wie eine Taschenlampe. Davon verliert man für fünfzehn, zwanzig Minuten das Bewusstsein, genug Zeit, um zu inszenieren, was immer man will.«
»Damit hat er also die Filatowa an der Tür empfangen«, sagte Nastja nachdenklich. »Und mich wollte er bestimmt auch damit . . . Trotzdem, Viktor Alexejewitsch, wie viel kostet es, mich umzubringen?«
»Einen Menschen zu töten kostet ungefähr so viel wie ein ordentliches Auto. Also rechne es dir aus, die Inflation inbegriffen.«
»Ein einheimisches Auto oder ein ausländisches?«
»Ausländisch natürlich. Das sind erstklassige Auftragsmörder. Einfache Killer sind billiger.«
»So was«, sie schüttelte den Kopf, »ein ganzes Auto. Und das mit Hinkefuß. Andrej, behandeln Sie mich wie eine wertvolle Fracht.«
Auf den Arm des unrasierten »Wächters« gestützt, humpelte sie zum Wagen.
Nastjas Geduld reichte gerade so lange, bis Andrej auf die Chaussee eingebogen war, dann hielt sie es nicht mehr aus.
»Wollen Sie mir nicht ein bisschen was erzählen?«, fragte sie.
»Sie fragen – ich antworte«, scherzte Andrej. »Aber sagen wir doch ›du‹.«
»Wann bist du hier aufgetaucht?«
»Gestern früh, sobald Larzew erfahren hatte, dass sie zur Datscha wollen.«
»Wer – sie?«
»Der Mörder und Murtasow.«
»Woher wusste er das?«
»Von Murtasow. Der Gallier hatte ihn so in die Mangel genommen, dass er noch gezittert hat, Larzew musste diesen Murtasow praktisch nicht einmal überreden. Den echten Wächter haben wir gebeten, für eine Weile zu verschwinden. Der Gallier hat sich alles angesehen, ist im Haus rumgelaufen, hat Fenster und Türen überprüft. Er ist ein umsichtiger Mann, die Beweise für die Mittäterschaft hat er gestern schon hier hinterlegt. Er konnte ja nicht wissen, wie die Sache bei dir zu Hause ausgehen würde, womöglich hätte er dich nicht lebend herbringen können. Dann hätte er den zuständigen Stellen mitgeteilt, dass Pawlow in seiner Datscha etwas versteckt hat.«
»Wusste Gordejew davon?«
»Das ist es ja, er wusste es nicht, wie sich herausstellte. Als ich gestern Larzew anrufen wollte, war er nirgends zu erreichen. Und ich hatte nur zu ihm Kontakt. Du weißt ja, wie das bei uns ist. Vielleicht wollte Wolodja nicht, dass sein Chef über alles Bescheid wusste? Er hat jedenfalls nicht gesagt, dass ich mich im Fall des Falles an Gordejew wenden solle.«
»Und was hat der Gallier in der Datscha versteckt?«
»Ein Notizbuch und zwei lose Seiten. Offenbar aus der Wohnung der Filatowa – das sagt jedenfalls Gordejew. Das Notizbuch enthält Aufzeichnungen zu einer Dienstreise nach Krasnodar im Juni.«
»Und die Seiten? Was stand da drauf?«
»Namenslisten. Auf dem einen vierundneunzig, auf dem anderen zweiundneunzig.«
»Jetzt ist mir alles klar. Und was war dann?«
»Dann sind im Morgengrauen die Jungs angerückt und haben den Bügel an der Schuppentür durchgesägt. Sah aus wie ein solides Schloss, doch in Wirklichkeit
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