Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
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Alle persönlichen Sachen hatten sie mir schon abgenommen: meinen Pass, meinen Führerschein, meine Kreditkarten, meinen Rechtsanwalts-Ausweis, meine Schlüssel, mein Handy, meine Uhr und meine Kundenkarte für einen Großmarkt in Hamburg. Und alles, was ich am Körper trug: meine Jeans, mein Sweatshirt, meine Schuhe. Nur meine Unterhose und meine Socken hatte ich noch am Leib, als sie mir einen viel zu großen, grauen Overall und ein paar Badelatschen aus Plastik verpassten.
Es war Samstagabend, und wahrscheinlich wollte sich niemand in diesem Gefängnis mehr als unbedingt nötig mit einem Neuankömmling befassen. Immerhin kam jemand auf die Idee, meinen Blutdruck zu messen. Vermutlich hatten sie einschlägige Erfahrungen mit Neuzugängen. Für kurze Zeit wurde ich von den Handschellen befreit. Ein Krankenpfleger legte mir die Manschette um den Arm und zog ein bedenkliches Gesicht, als er auf das Messgerät sah.
Der obere Wert lag bei 240, an den unteren erinnere ich mich nicht. Über 200 bedeutet akute Gefahr, das war mir klar.
Der Pfleger schüttelte verärgert den Kopf.
«So kann ich den hier nicht aufnehmen!», erklärte er den beiden Männern, die mich hergebracht hatten.
Die Situation hatte etwas Groteskes. Ich hatte nicht um meine Verhaftung gebeten.
«Wir bringen ihn ins Krankenhaus!», entschieden meine Bewacher.
Das war unter den gegebenen Umständen keine schlechte Option.
Die Männer schoben mich wieder in ihr Auto und fuhren mit mir ein paar Kilometer durch Fort Lauderdale. In der Akutaufnahme des Broward General Medical Center packten sie mich mit Hilfe einer Krankenschwester in ein fahrbares Bett und fesselten mich mit einem Fuß und einer Hand an das Metallgestell. Ein Arzt wurde geholt.
Er muss mir irgendwas gespritzt haben, was mich beruhigte, sogar etwas schläfrig machte und auch den Blutdruck senkte. Nach ein oder zwei Stunden in der Ambulanz galt ich als haftfähig, und es ging zurück, wieder quer durch Fort Lauderdale.
So richtig zufrieden war der Pfleger dort noch immer nicht. Aber jetzt drückte er gewissermaßen ein Auge zu: Als Federal Prisoner Nr. 57459 - 004, als Gefangener der Vereinigten Staaten von Amerika, nahm er mich ins Broward County Jail auf.
Ich wurde fotografiert, meine Fingerabdrücke wurden erfasst. Ich musste nochmal alles ausziehen, und ein Wachmann inspizierte alle Öffnungen und Höhlungen meines Körpers.
Immer wieder ließ man mich dann stundenlang warten. Ich weiß nicht, ob es Schikane war oder pure Gleichgültigkeit. Erschöpft und völlig übermüdet, schockiert und verwirrt saß ich irgendwo auf einer Bank herum, bis es endlich weiterging.
Schließlich sperrten sie mich in eine Zelle. Ein Metallbett mit Plastikmatratze, ein Klo mit Waschbecken aus Edelstahl. Das war alles. Es gab hier noch nicht einmal einen Becher, um Leitungswasser zu trinken.
Es war mitten in der Nacht. Wie spät genau, wusste ich nicht, meine Uhr war ja weg. In Deutschland begann jetzt der Sonntagmorgen. Normalerweise war dies die Zeit, zu der ich auf den Hamburger Fischmarkt fuhr, um für ein ausgiebiges Frühstück mit meinen Kindern einzukaufen.
Niemand würde heute in mein Büro kommen, den Anrufbeantworter abhören oder ein Fax bemerken. Niemand von meinen Angehörigen würde an diesem Sonntag erfahren, was mit mir passiert war. Ich legte mich hin und versuchte, ein bisschen zu schlafen.
Meine Reise nach Amerika hatte knapp 48 Stunden zuvor begonnen, am Freitag, dem 13. Januar 2006. Auf dem Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel checkte ich vormittags nach Miami ein, mit Umsteigen in Paris.
Mein eigentliches Reiseziel aber war Los Angeles. Dort wollte ich zum ersten Mal die legendäre NAMM-Show besuchen, eine der beiden wichtigsten Musikmessen der Welt. Ich freute mich schon seit langem darauf. Auf der Messe würde ich meinen Freund Thomas Weilbier treffen, der in Altona den Gitarrenladen «No 1 Guitar Center» betreibt. Gemeinsam wollten wir uns das internationale Angebot an Vintage-Gitarren ansehen, vielleicht auch etwas kaufen.
Ich hatte in den letzten Jahren viel zu wenig Zeit gehabt, um solchen persönlichen Interessen nachzugehen. Seit 25 Jahren war ich Rechtsanwalt. Anfang Dezember hatten wir dieses Jubiläum mit einem großen Fest gefeiert. Was 1980 mit einem Ein-Mann-Betrieb in einer zugigen Ladenwohnung begonnen hatte, war inzwischen zu einer Kanzlei mit 18 Mitarbeitern angewachsen. Mein Büro kümmerte sich außerdem um die Hausverwaltung für eine
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