ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)
dort tat, war natürlich, die Galoschen auszuziehen, und da mußte die Seele zurück. Sie schlug sogleich die Richtung nach dem Körper ein, und mit einemmal kam Leben in den Mann. Er versicherte, daß dies die schrecklichste Nacht in seinem gewesen sei, und dies nicht für einen Taler noch einmal durchmachen wolle, aber nun war es ja überstanden.
Am selben Tage wurde er wieder entlassen, aber die Galoschen blieben im Hospital.
4. Ein Hauptmoment. Eine Deklamationsnummer.
Eine höchst ungewöhnliche Reise.
Ein jeder Kopenhagener weiß, wie der Eingang zum Friedrichshospital aussieht, aber da wahrscheinlich auch einige Nicht-Kopenhagener diese Geschichte lesen werden, müssen wir eine kurze Beschreibung geben.
Das Hospital ist von der Straße durch ein ziemlich hohes Gitter getrennt, in welchem die dicken Eisenstangen so weit voneinander abstehen, daß, wie erzählt wird, sich sehr dünne Leute hindurch geklemmt haben und auf diesem Wege ihre kleinen Visiten abgemacht haben. Der Körperteil, der am schwierigsten hinauszupraktizieren war, war der Kopf. Hier, wie überall in der Welt, waren also die kleinen Köpfe die glücklichsten. Das wird als Einleitung genügen.
Einer der Jungen Hülfsärzte, von dem man nur in körperlicher Hinsicht behaupten konnte, daß er einen großen Kopf habe, hatte gerade an diesem Abend Wache. Es war strömender Regen, doch ungeachtet dieser beiden Hindernisse mußte er hinaus, nur auf eine Viertelstunde, aber es war nichts so Wichtiges, daß es dem Pförtner gemeldet werden mußte, wenn man durch die Eisenstangen hinausschlüpfen konnte. Da standen die Galoschen, die der Wächter vergessen hatte. Es kam ihm nicht in den Sinn, daß es die des Glückes sein könnten. Aber in diesem Wetter waren sie gut zu gebrauchen; er zog sie an. Nun kam es darauf an, ob er sich hindurchklemmen konnte, er hatte es früher nie versucht. Da stand er nun.
"Gotte gebe, daß ich erst den Kopf draußen habe!", sagte er und sogleich, obgleich er sehr dick und groß war, glitt er leicht und glücklich hindurch, das mußten die Galoschen verstehen; aber nun sollte der Körper auch hinaus, der stand noch drinnen.
"Ach Gott, ich bin zu dick!" sagte er, "ich habe geglaubt, der Kopf sei das schlimmste! Ich komme nicht hindurch."
Nun wollte er schnell den Kopf zurückziehen, aber das ging nicht. Den Hals konnte er zwar bequem bewegen, aber das war auch alles. Das erste Gefühl war, daß er sich ärgerte, das zweite, daß seine Laune unter Null fiel. Die Galoschen des Glückes hatten ihn in die unangenehmste Lage gebracht, und unglücklicherweise verfiel er nicht auf den Gedanken, sich frei zu wünschen, nein, er handelte und kam daher nicht von der Stelle. Der Regen strömte nieder, nicht ein Mensch war auf der Straße zu sehen. Die Torglocke konnte er nicht erreichen. Wie sollte er nur loskommen! Er sah voraus, daß er bis zum Morgen hier stehen könne. Dann mußte man erst nach einem Schmied senden, damit die Eisenstangen durchgefeilt werden könnten. Aber das ging auch nicht so geschwind. Die ganze Knabenschule gerade gegenüber würde auf die Beine kommen; alle Krankenhausinsassen würden zusammen laufen, um ihn am Pranger zu sehen. Er würde eine ganz andere Attraktion abgeben, als die Riesenagave im vorigen Jahr. "Ach je, das Blut steigt mir zu Kopfe rein zum irrsinnig werden! Ja, ich werde verrückt! Ach wäre ich doch erst wieder heraus, dann ginge es wohl vorüber!"
Seht, hätte er das ein wenig früher gesagt! Augenblicklich, der Gedanke war kaum ausgesprochen, so war sein Kopf auch schon frei, und er stürzte nun hinein, ganz verstört über den Schreck, den ihm die Galoschen des Glückes gebracht hatten.
Nun brauchen wir nicht etwa zu glauben, daß das Ganze hiermit vorüber sei, nein, es kommt noch schlimmer.
Die Nacht und der folgende Tag vergingen, und die Galoschen wurden nicht abgeholt.
Am Abend sollte eine Vorstellung in einem kleinen Theater stattfinden. Das Haus war gepfropft voll. Unter anderen Darbietungen wurde auch ein Gedicht vorgetragen; "Tante's Brille" hieß es und handelte von einer Brille, durch die gesehen die Menschheit offen wie ein Kartenspiel vor einem lag, so daß man aus dessen Blättern und Figuren die nächste Zukunft mit ihren Geschehnissen voraussehen konnte.
Das Gedicht wurde meisterlich vorgetragen und der Deklamator machte großes Glück damit. Unter den Zuschauern war auch der junge Hülfsarzt vom
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