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Andromeda

Andromeda

Titel: Andromeda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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existieren Hunderte verschiedener Viren und Bakterien. Sie alle können tödlich sein; aber der Mensch hat sich ihnen im Laufe der Jahre angepaßt, und nur wenige davon vermögen noch Krankheiten hervorzurufen.
    All das stellt einen Zustand des Gleichgewichts dar. Bringt man nun ein neues Mittel ins Spiel, das alle Mikroben tötet, so stört man das Gleichgewicht und vernichtet, was sich in Jahrtausenden entwickelt hat. Man öffnet einer Superinfektion Tür und Tor, man beschwört das Problem neuer Mikroorganismen herauf, die Erreger neuer Krankheiten sind.
    Stone behielt recht. Die vierzig Freiwilligen starben an unheimlichen Krankheiten, die noch nie zuvor ein Mensch zu Gesicht bekommen hatte. Bei einem Mann schwoll der Körper von Kopf bis Fuß an, begleitet von einer fieberhaften Entzündung, bis er an einem Lungenödem starb. Ein anderer wurde das Opfer eines Organismus, der innerhalb weniger Stunden seinen ganzen Magen zerfraß. Ein dritter wurde von einem Virus befallen, das sein Gehirn zu Gelee auflöste. Und so weiter.
    Widerstrebend zog Jensen das Medikament zurück und verzichtete auf weitere Untersuchungen. Den Behörden wurde klar, daß Stone zuvor schon begriffen hatte, was geschehen mußte; sie griffen nun seine früheren Empfehlungen auf und verboten strikt alle weiteren Experimente mit Kalocin. Das Mittel wurde mit allen Kräften unterdrückt. So war es seit zwei Jahren geblieben. Nun wollte Burton mit Kalocin behandelt werden. »Nein«, sagte Stone. »Kommt überhaupt nicht in Frage. Das Zeug mag Sie für den Augenblick retten, aber Sie werden unweigerlich sterben, sobald es abgesetzt wird.«
    »Sie da draußen haben leicht reden.«
    »Für mich ist das auch nicht leicht, das dürfen Sie mir glauben.« Er schaltete das Mikrophon wieder aus und sagte zu Hall: »Wir wissen, daß Sauerstoff das Wachstum der Andromeda-Organismen hemmt. Deshalb soll ihn Burton bekommen. Er wird ihm guttun – vielleicht macht er ihn ein bißchen benommen; er wird sich beruhigen und langsamer atmen. Der arme Kerl steht ja Todesängste aus.«
    Hall nickte. Aber er wurde das Wort ›Todesängste‹ nicht mehr los. Er dachte darüber nach und erkannte allmählich, daß Stone mit diesem Wort auf etwas Wichtiges gestoßen war. Dieses Wort war der Schlüssel. Es war die Antwort. Er wollte schon weggehen.
    »Wohin wollen Sie?«
    »Ich muß nachdenken.«
    »Worüber?«
    »Über die Todesangst.«

Todesangst
     
    Hall ging in sein Labor zurück und betrachtete durch die Glasscheibe den alten Mann und das Kind. Er sah die beiden an und versuchte nachzudenken, aber seine Gedanken bewegten sich hektisch in Kreisen. Es fiel ihm schwer, einen logischen Gedanken zu fassen. Sein Gefühl von vorhin, kurz vor einer wichtigen Entdeckung zu stehen, ging ihm wieder verloren.
    Minutenlang starrte er den alten Mann an, während vor seinem inneren Auge Momentaufnahmen aufzuckten. Burton im Sterben, eine Hand an die Brust gedrückt. Los Angeles in Panik. Leichen, überall Leichen. Wild kurvende Autos …
    Dabei wurde ihm klar, daß auch er Angst hatte. Todesangst. Dieses Wort fiel ihm wieder ein. Todesangst. Darin mußte irgendwie die Antwort liegen. Mühsam zwang er seinen Verstand zu systematischem Denken und ging alles noch einmal durch.
    Ein Polizist mit Diabetes. Ein Polizist, der sein Insulin nicht immer nimmt und immer wieder in Keto-Azidose fällt. Ein alter Mann, der Fusel trinkt; das führt zu Methanolismus – und Azidose.
    Ein Säugling, der … Ja, was? Wodurch hat das Kind Azidose bekommen?
    Hall schüttelte den Kopf. Immer wieder kam er auf das Baby zurück, ein völlig normales, nicht azidotisches Kind. Er seufzte.
    Fang noch einmal ganz von vorn an, sagte er sich. Bleibe logisch. Wenn ein Mensch unter stoffwechselbedingter Azidose leidet, unter irgendeiner Azidose – was tut er dann? Er hat dann zu viel Säure im Körper. Von einem Überschuß an Säure stirbt man genauso, als ob man sich Salzsäure in die Venen gespritzt hätte. Zu viel Säure bedeutet den Tod. Aber der Körper kann das kompensieren, kann für einen Ausgleich sorgen. Durch beschleunigte Atmung. Auf diese Weise blasen die Lungen nämlich Kohlendioxid ab, und im Körper sinkt der Bestand an Kohlensäure, aus der sich im Blut Kohlendioxid bildet. Eine Möglichkeit, Säure abzubauen. Rasches Atmen.
    Und die Andromeda-Organismen? Was geschieht mit denen, wenn man azidotisch ist und rasch atmet? Vielleicht verhindert man durch rasches Atmen, daß sich der Organismus

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