Andromeda
vor einer wichtigen Entdeckung zu stehen.
Drei Leute:
Ein Diabetiker in Azidose, also mit anomaler Vermehrung der Säuren im Blut, weil er es versäumt hatte, sein Insulin zu nehmen.
Ein alter Mann, der Fusel trank und Aspirin nahm – ebenfalls in Azidose.
Ein Säugling.
Einer davon war mehrere Stunden am Leben geblieben, die beiden anderen noch länger, anscheinend für immer. Einer war verrückt geworden, die beiden anderen waren es nicht. Irgendwie hingen sie alle drei zusammen. Es mußte ein ganz einfacher Zusammenhang sein. Azidose. Beschleunigte Atmung. Kohlendioxidgehalt. Sättigung mit Sauerstoff. Benommenheit. Müdigkeit. Es gab logische Zusammenhänge.
Diese drei Menschen hielten den Schlüssel zur Bezwingung des Andromeda-Organismus in Händen.
In diesem Augenblick gellte schrill die Alarmglocke. Das leuchtend gelbe Licht begann drängend zu blinken. Hall sprang auf und rannte hinaus.
Die Dichtung
Auf dem Korridor zeigte ein blinkendes Signal an, von wo der Alarm ausging: autopsie. Hall konnte sich denken, was geschehen war. Irgendwie waren die Dichtungen beschädigt worden, und die Folge war eine Verseuchung. So wurde der Alarm gegeben.
Während er noch durch den Korridor eilte, sagte eine ruhige, besänftigende Stimme aus den Lautsprechern: »Dichtungsschaden in der Autopsie. Alarm! Dichtungsschaden in der Autopsie. Alarm!«
Seine Assistentin kam aus dem Labor und erblickte ihn. »Was ist denn los?«
»Burton, soviel ich weiß. Ausbreitung der Infektion.«
»Bei ihm alles in Ordnung?«
»Das bezweifle ich«, sagte Hall und rannte weiter. Sie schloß sich ihm an.
Leavitt stürzte aus dem Labor mit der Aufschrift MORPHOLOGIE. Gemeinsam sprinteten sie den sanft gebogenen Korridor entlang. Hall dachte gerade: Für einen Mann in seinen Jahren ist dieser Leavitt noch sehr gelenkig. Da blieb Leavitt urplötzlich stehen.
Er stand da wie angewurzelt. Sein Blick war starr auf das Warnzeichen und das Licht darüber gerichtet. Beide blinkten – an und aus, an und aus. Hall drehte sich um und rief: »Kommen Sie!«
Da sagte die Assistentin: »Dr. Hall, ihm fehlt etwas.«
Leavitt rührte sich nicht. Er stand da und hatte die Augen geöffnet, aber sonst benahm er sich, als schlafe er. Die Arme hingen ihm kraftlos zu beiden Seiten herab.
»Dr. Hall.«
Hall blieb stehen. Dann kehrte er um. »Peter! Kommen Sie, alter Junge, wir brauchen Sie!« Er sprach nicht weiter, weil ihm Leavitt nicht zuhörte, sondern nur starr das blinkende Licht ansah. Als Hall ihm mit der Hand dicht am Gesicht vorbeistrich, reagierte er nicht. Da fielen Hall wieder die anderen Fälle ein, wo sich Leavitt von blinkenden Lichtern abgewandt hatte – eine Angewohnheit, die er immer mit spaßhaften Bemerkungen abgetan hatte.
»Der verdammte Kerl«, sagte Hall. »Ausgerechnet jetzt.«
»Was hat er denn?« fragte die Assistentin. Aus Leavitts Mundwinkel tropfte ein wenig Speichel. Hall stellte sich rasch hinter ihn und sagte zu der Assistentin: »Treten Sie dicht vor ihn hin und halten Sie ihm die Augen zu. Er darf die blinkenden Lichter nicht sehen.«
»Warum nicht?«
»Weil das Licht dreimal in der Sekunde blinkt.«
»Sie meinen …«
»Jetzt kann’s jeden Augenblick losgehen.«
Leavitt klappte zusammen. Erschreckend schnell gaben seine Knie nach. Er stürzte zu Boden, blieb auf dem Rücken liegen und begann am ganzen Körper zu zittern. Erst zuckten nur seine Hände und Füße, dann ging das Zittern auf Arme und Beine über, schließlich erfaßte es den ganzen Körper. Leavitt biß die Zähne zusammen und stieß einen lauten, keuchenden Schrei aus. Sein Kopf trommelte auf den Boden. Hall schob rasch einen Fuß unter Leavitts Kopf und ließ ihn gegen seine Zehen schlagen. Das war immer noch besser, als wenn der Kopf auf den harten Boden aufschlug.
»Versuchen Sie gar nicht erst, ihm den Mund aufzumachen«, sagte Hall. »Sie schaffen es doch nicht. Die Kinnlade ist verkrampft.«
Vor ihren Augen begann sich um Leavitts Hüften ein gelber Fleck auszubreiten.
»Jetzt kann gleich der Status epilepticus eintreten«, sagte Hall. »Laufen Sie in die Apotheke und holen Sie mir hundert Milligramm Phenobarbital. Schnell. Fertiges, in der Spritze. Wenn es sein muß, können wir ihn später unter Dilantin setzen.«
Leavitt schrie durch seine zusammengepreßten Zähne wie ein wildes Tier. Sein Körper trommelte wie eine gespannte Stahlfeder auf den Boden.
Gleich darauf kam die Assistentin mit der Injektionsspritze zurück.
Weitere Kostenlose Bücher