Andromeda
Hall wartete, bis Leavitt sich entspannte und der Anfall vorüber war, dann spritzte er ihm das Barbiturat. »Bleiben Sie bei ihm«, sagte er zu dem Mädchen. »Sollte er einen weiteren Anfall haben, machen Sie es genau wie ich vorhin – schieben Sie ihm den Fuß unter den Kopf. Aber ich glaube, er wird jetzt ruhig bleiben. Versuchen Sie nicht, ihn zu bewegen.« Hall rannte weiter zum Autopsie-Labor.
Ein paarmal zerrte er heftig an der Tür zu dem Labor, dann merkte er, daß es automatisch verriegelt worden war. Das Labor war verseucht. Er ging weiter zum Hauptkontrollraum. Dort traf er Stone an, der Burton auf dem Bildschirm der internen Fernsehanlage beobachtete. Burton war voller Angst, bleich, atmete in kurzen, flachen Zügen und brachte kein Wort hervor. Er war ein Mann, der darauf wartet, daß im nächsten Augenblick der Tod zuschlägt – und genauso sah er auch aus.
Stone versuchte ihn zu beruhigen. »Immer mit der Ruhe, mein Junge. Nur die Ruhe. Alles wird wieder gut. Regen Sie sich nur nicht auf.«
»Ich hab’ Angst«, stieß Burton hervor. »Herr im Himmel, hab’ ich Angst …«
»Bleiben Sie ganz ruhig«, redete ihm Stone beruhigend zu. »Wir wissen, daß die Andromeda-Organismen keinen Sauerstoff mögen. Wir pumpen Ihnen jetzt reinen Sauerstoff ins Labor. Das müßte Ihnen für den Augenblick weiterhelfen.«
Stone wandte sich an Hall. »Sie haben sich aber Zeit gelassen. Wo steckt denn Leavitt?«
»Hatte einen Anfall.«
»Was?«
»Das Licht blinkte dreimal in der Sekunde, da hatte er einen Anfall.«
»Was?«
»Petit mal. Dann wurde daraus ein Grand-mal-Anfall: tonisch-klonischer Zustand, Harnfluß – alles, was dazugehört. Ich habe ihn unter Phenobarbital gesetzt und bin gekommen, so schnell ich konnte.«
»Leavitt – Epileptiker?«
»Stimmt.«
Stone sagte: »Er muß es nicht gewußt haben. Es wird ihm nicht klargewesen sein.«
Dann fiel Stone die Aufforderung zur Wiederholung des Elektroenzephalogramms ein.
»Doch, er hat’s schon gewußt«, sagte Hall. »Er ging allen blinkenden Lichtern, die einen Anfall herbeiführen konnten, aus dem Wege. Ich bin ganz sicher, daß er es gewußt hat. Ich bin auch sicher, daß er wiederholt Anfälle hatte, bei denen er plötzlich nicht wußte, was mit ihm los war, wo er einfach ein paar Minuten aus seinem Leben verliert und sich nachher an nichts erinnern kann.«
»Jetzt geht es ihm besser?«
»Wir werden ihn unter Beruhigungsmitteln halten.« Stone erklärte: »Wir lassen Burton mit reinem Sauerstoff versorgen. Das müßte ihm helfen, bis wir mehr wissen.«
Stone legte den Schalter für die direkte Sprechverbindung zu Burton um. »Es wird noch ein paar Minuten dauern, bis die Sauerstoffzufuhr einsetzt, aber ich habe ihm gesagt, daß wir damit schon begonnen haben. Er ist da drin luftdicht abgeschlossen, die Infektion kann sich also nicht weiter verbreiten. Die übrigen Räume sind wenigstens noch sauber.«
Hall fragte: »Wie kam das denn? Die Verseuchung, meine ich.«
»Eine Dichtung muß versagt haben«, antwortete Stone und fügte leise hinzu: »Damit mußten wir früher oder später rechnen. Jede Isolation wird nach einiger Zeit undicht.«
Hall fragte: »Sie halten das für einen unglücklichen Zufall?«
»Ja«, sagte Stone, »es ist ein Unfall. Es gibt eine bestimmte Anzahl von Dichtungen mit einer bestimmten Gummidicke – mit der Zeit werden sie alle durchlässig. Burton war zufällig da drin, als eine Dichtung versagte.«
Hall sah die Sache nicht so einfach. Er schaute zu Burton hinein. Der atmete rasch – ein Mensch voller Entsetzen. Hall fragte: »Wie lange ist das jetzt her?«
Stone sah hinauf zu den Stoppuhren. Das waren besondere Zeitmesser, die sich bei einem Unfall automatisch einschalteten. Jetzt gaben die Stoppuhren die Zeit an, die seit dem Dichtungsschaden vergangen war. »Vier Minuten.«
Hall stellte fest: »Und Burton lebt noch.«
»Ja – Gott sei Dank.« Dann runzelte Stone die Stirn. Er erkannte, was das bedeutete.
»Und warum lebt er noch?« fragte Hall betont.
»Der Sauerstoff …«
»Sie sagten doch selbst, daß die Sauerstoffzufuhr noch nicht angelaufen ist. Wodurch ist Burton geschützt?«
In diesem Augenblick hörten sie Burtons Stimme über die Sprechanlage: »Hört mal, ich möchte euch bitten, etwas für mich zu versuchen.«
Stone schaltete sein Mikrophon wieder ein. »Was?«
»Kalocin«, antwortete Burton.
»Nein!« rief Stone sofort.
»Verdammt, es geht um mein Leben.«
»Nein!«
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