Andular III (Das Erbe der Schicksalsweber) (German Edition)
gebildet, die sich deutlich von der blassen Haut abhoben. Er sieht furchtbar aus, dachte Jesta und traute sich kaum in seine Augen zu blicken. Ob er es bereits wusste, fragte er sich und sah wieder zu Taykoo, der gerade ein weiteres Mal verzweifelt nach Inoels Anhänger fischte. Wusste Crydeol bereits, dass Inoel ihr Gedächtnis verlieren würde, sobald sie die Heilige Stätte betreten hatte?
Inoel strich Taykoo noch einmal über den Kopf, bevor sie ihn wieder Jesta übergab. Dann schwang sie sich zurück in den Sattel und führte ihr Pferd neben das der Frau, die vor ihre Brust ein dickes Bündel geschnürt hatte.
„Wie geht es ihm, Schwester Enovy?“
„Er schläft“, antwortete sie leise und drehte sich ein Stück weit zu Inoel rüber, sodass sie in das Bündel hineinsehen konnte.
„Ist das Haydon?“, fragte Jesta zu Leeni gebeugt und sie nickte lächelnd, doch es war ein freudloses, trauriges Lächeln.
„Ich reite auf Lago vorneweg, dahinter Inoel, Leeni und Schwester Enovy, flankiert von Candol und Cale. Du, Jesta, bildest die Nachhut.“
Jesta nickte Crydeol schweigend zu, dann führte er Nevur neben Cales Pony und der Trupp setzte sich in Bewegung.
Mehrere Stunden ritten sie in dieser Formation gen Westen dem Gebirge entgegen, dessen gezackte Silhouette sich ihnen langsam wie eine graue Wand näherte. Hin und wieder rief Crydeol Pausen aus, die er sodann ausschließlich mit Inoel und Haydon verbrachte, während sich die anderen ums Essen und die Tiere kümmerten. Als Jesta einen Moment lang mit Leeni alleine war, um Nevur und ihrem Pony etwas Wasser zu bringen, winkte er sie unauffällig zu sich herüber.
„Woher wissen Crydeol und Inoel eigentlich, wohin wir reiten müssen?“
„Weil Urca es ihr gesagt hat. Ich habe es gehört, als sie mit Crydeol darüber gesprochen hat.“
„Dann erwartet er uns dort?“
„Ja. Er wird sie wahrscheinlich mit seinen Gedanken zu der Stelle führen, ich habe vorhin mitbekommen, dass sie Crydeol ab und zu leise Richtungsanweisungen zuflüstert.“
„Ob er es schon weiß? Ich meine, weiß er, dass sie ihr Gedächtnis verlieren wird, sobald sie die Heilige Stätte betreten hat.“
Sie zuckte kaum merklich mit den Schultern und warf einen raschen Blick zu Crydeol, der ausdruckslos dem Gebirge entgegenblickte. „Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich ihn niemals darauf ansprechen werde.“
Jesta nickte zustimmend. „Ich auch nicht. Das brächte ich einfach nicht übers Herz.“
Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont entgegen, als sie am Fuß der Gajoraberge ankamen. So stiegen sie sie alle von ihren Tieren ab und schritten hinter Inoel auf zwei größere Felsen zu, die sich in einem Abstand von etwa einem Meter gegenüberstanden. Nachdem sie diese hintereinander weg passiert hatten, bemerkte Jesta, dass sie einem schmalen Pfad folgten, der ihm vorher gar nicht aufgefallen war. Doch schon bald konnte er vor Inoel das Ende des Pfades sehen und wunderte sich, dass dieser abrupt vor einer hohen Felswand endete. Erst als sie vor der Wand standen, erkannte er, dass links des Pfades eine steinerne Treppe den Felsen hinaufführte, deren Stufen zuvor von den anderen Felsen verdeckt worden waren. Eine reine optische Täuschung der Natur, da die Stufen keinesfalls so aussahen, als wären sie von Menschenhand geschaffen worden und doch fügten sie sich perfekt zusammen und führten sie ohne größere Anstrengung auf ein flaches Plateau, auf dessen Mitte Inoel nun stehen blieb.
„Wir sind da“, sagte sie leise und richtete ihren Blick dem Himmel entgegen. Kurz darauf vernahmen sie ein tiefes Rauschen und einen Augenblick später schwebte der Wolkenwal zu ihnen hinunter, flog über ihre Köpfe hinweg und landete schließlich am Rande des Plateaus. Auf seinem Rücken war immer noch der Sattel aus Wimmerweidenholz befestigt.
„Seid gegrüßt Inoel, Saneens Tochter. Wie ich sehe, haben euch eure Freunde begleitet, das ist sehr erfreulich. Dennoch müsst ihr euch nun von ihnen verabschieden, da ich nur euch zu der Heiligen Stätte bringen kann und somit endet hier ihr Weg.“
Sie nickte und drehte sich zu Crydeol um, doch der trat einen Schritt zur Seite und deutet auf Candol, den sie sogleich in die Arme schloss. Dann wandte sie sich an Cale und Leeni, die ihre Tränen nun nicht mehr zurückhalten konnte und fürchterlich zu weinen begann. Nachdem sie eine kleine Ewigkeit in den Armen des Talanimädchen lag, stand sie schließlich auf und ging auf Jesta
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