Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)
sich die Sozialstaaten im großen Maßstabe zur Aufgabe gemacht, das Leben des Staatsbürgers von der Wiege bis zur Bahre sicher und glücktriefend zu gestalten. Dies ist aber nur dadurch möglich, daß der Staatsbürger systematisch zur gesellschaftlichen Inkompetenz erzogen wird. In der gesamten westlichen Welt steigen daher die Staatsausgaben für das Gesundheits- und Sozialwesen von Jahr zu Jahr immer steiler an. Wie Thayer [23] zeigte, schnellten diese Ausgaben in den USA zwischen 1968 und 1970 um 27 Prozent von 11 auf 14 Milliarden Dollar. Bundesdeutschen Statistiken (aus der Entstehungszeit dieses Buches) ist zu entnehmen, daß die täglichen Ausgaben für das Gesundheitswesen allein 450 Millionen DM betragen und sich damit seit 1950 verdreißigfacht haben. Es gibt in der Bundesrepublik zehn Millionen Kranke, und der westdeutsche Normalverbraucher nimmt im Laufe seines Lebens 36000 Tabletten ein.
Man stelle sich nun vor, wie es um uns stünde, wenn dieser Aufwärtstrend zum Stokken käme oder gar rückläufig würde. Riesige Ministerien und andere Monsterorganisationen brächen zusammen, ganze Industriezweige gingen bankrott, und Millionen von Menschen wären arbeitslos.
Zur Vermeidung dieser Katastrophe will das vorliegende Buch einen kleinen, verantwortungsbewußten Beitrag leisten. Der Sozialstaat braucht die stetig zunehmende Hilflosigkeit und Unglücklichkeit seiner Bevölkerung so dringend, daß diese Aufgabe nicht den wohlgemeinten, aber dilettantischen Versuchen des einzelnen Staatsbürgers überlassen bleiben kann. Wie in allen anderen Sparten des modernen Lebens ist auch hier staatliche Lenkung vonnöten. Unglücklich sein kann jeder; sich unglücklich machen aber will gelernt sein, dazu reicht etwas Erfahrung mit ein paar persönlichen Malheurs nicht aus.
Doch selbst in der einschlägigen, das heißt hauptsächlich psychiatrischen und psychologischen Literatur sind dementsprechende Hinweise und brauchbare Informationen sehr dünn gesät und meist ganz unbeabsichtigt. Soweit mir bekannt ist, haben sich nur wenige meiner Kollegen an dieses heiße Eisen herangewagt. Rühmliche Ausnahmen sind die Frankokanadier Rodolphe und Luc Morisette mit ihrem Petit manuel de guérilla matrimoniale [12]; Guglielmo Gulottas Commedie e drammi nel matrimonio [7]; Ronald Laings Knoten [9]; und Mara Selvini Palazzolis Der entzauberte Magier [20], in dem die berühmte Psychiaterin nachweist, wie das Großsystem Schule das Scheitern des Schulpsychologen braucht , um sich nicht ändern zu müssen und weiterhin mehr desselben tun zu können. Ganz besondere Erwähnung verdienen ferner die Bücher meines Freundes Dan Greenburg, How to be a Jewish Mother [5] 3 und How to MakeYourself Miserable [6], jenes bedeutende Werk, das von den Kritikern als die freimütige Untersuchung gefeiert wurde, »die es hunderttausend Menschen ermöglicht hat, ein wahrhaft leeres Leben zu leben«. Und last but not least sind hier die drei bedeutendsten Vertreter der britischen Schule zu erwähnen: Stephen Potter mit seinen »Upmanship«-Studien [17]; Lawrence Peter, der Entdecker des »Peter-Prinzips« [16]; und schließlich der weltberühmte Autor des nach ihm benannten Gesetzes: Cyril Northcote Parkinson [14, 15].
Was das vorliegende Buch zusätzlich zu diesen ausgezeichneten Studien bieten möchte, ist eine methodische, grundlegende und auf Jahrzehnten klinischer Erfahrung beruhende Einführung in die brauchbarsten und verläßlichsten Mechanismen der Unglücklichkeit. Trotzdem aber dürfen meine Ausführungen nicht als erschöpfende und vollständige Aufzählung betrachtet werden, sondern nur als Leitfaden oder Wegweiser, der es den begabteren unter meinen Lesern ermöglichen wird, ihren eigenen Stil zu entwickeln.
Vor allem eins:
Dir selbst sei treu…
D ieses goldene Wort stammt von Polonius, dem Kämmerer in Hamlet . Für unser Anliegen ist es wertvoll, da Polonius, indem er sich selbst treu ist, es schließlich fertigbringt, von Hamlet »wie eine Ratte« in seinem Versteck hinter einem Wandschirm erstochen zu werden. Offensichtlich gab es das goldene Wort vom Lauscher an der Wand im Staate Dänemark noch nicht.
Man könnte vielleicht einwenden, daß damit des sich Unglücklichmachens zuviel getan war, doch müssen wir Shakespeare etwas poetische Freiheit zubilligen. Das Prinzip wird dadurch nicht geschmälert:
Daß man mit der Umwelt und besonders seinen Mitmenschen im Konflikt leben kann, dürfte wohl niemand bezweifeln.
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