Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
sich nicht bemerkt. Sie warf ihre Kippe auf den Boden und wollte sie austreten, als der Angriff erfolgte.
Sie wusste sofort, dass es um ihr Leben ging.
Die Stahlschnur schnitt in ihren Hals wie eine Rasierklinge und nahm ihr die Luft.
Der Mann drückte ihr sein Knie in den Rücken und bog sie nach hinten.
Ihren Selbstverteidigungskurs hatte sie zwar schon vor Fockos Geburt gemacht, doch jetzt war alles schlagartig wieder da. Sie ging mit der Kraft ihres Gegners, wie ihr Trainer es ihr immer empfohlen hatte. Sie griff über ihre Schultern, bekam seine Haare zu fassen und zerrte daran. Dann warf sie ihren Kopf und ihren Körper, so weit es ging, zurück in seine Richtung.
Ihr Hinterkopf knallte gegen seine Nase. Er jaulte auf.
Ein paar Krimiautoren, die noch einen Absacker im Jameson’s Pub nehmen wollten, diskutierten die Situation auf dem E-Book-Markt.
Peter Gerdes sah das kämpfende Pärchen zuerst. Er und Manfred C. Schmidt rannten sofort los, während die anderen noch beratschlagten, ob es nicht besser sei, die Polizei zu rufen, statt hier Selbstjustiz zu üben.
»Quatsch, Selbstjustiz!«, keuchte der rennende Manfred, »wir hauen dem einfach nur was aufs Maul!«
Der Mann floh. Von einer alleinerziehenden Mutter und ein paar Krimiautoren verhauen zu werden erschien ihm wenig verlockend.
Eske Tammenas Hals sah schlimm aus, aber sie lebte. Gegen jeden Rat wollte sie nicht zur Polizei und auch nicht ins Krankenhaus. Sie zitterte plötzlich so sehr, dass sie kaum noch sprechen konnte.
Ihr Freund wohne in der Nähe, sagte sie, und zu dem wolle sie jetzt gehen.
Die Krimiautoren begleiteten sie noch ein Stück. Micha Krämer versuchte gar, sie zu überreden, noch ein Guinness mit ihnen zu trinken, aber sie wollte jetzt zu ihrem Wolfi, um ihm von dem Vorfall zu erzählen und sich bei ihm frisch zu machen. So wie sie aussah, wollte sie weder der Babysitterin noch ihrem kleinen Sohn begegnen.
Christiane Franke diskutierte an der Theke leidenschaftlich die Frage, ob sie nicht doch die Polizei rufen müssten, unabhängig davon, was die verwirrte Frau wolle oder nicht. Das sei ein Angriff mit einer Stahlschlinge auf ihr Leben gewesen. Da könne man nicht einfach so drüber hinweggehen.
Peter Gerdes glaubte auf dem Heimweg, den Mann wiederzuerkennen, der Eske Tammena angegriffen hatte. Er fuhr auf dem Fahrrad in Richtung Museumshafen. Aber Peter Gerdes war sich nicht sicher, ob er dort wirklich den Täter auf dem Rad sah oder nur einen Mann vergleichbarer Statur oder ob seine Kriminalschriftstellerphantasie ihm gerade einen Streich spielte.
Zu dem Zeitpunkt schwamm der leblose Körper von Eske Tammena bereits im Leeraner Hafen
Ein paar kleine Barsche wurden von ihrem Blutgeruch angezogen und zupften an ihrer Haut herum, als seien ihre kleinen Härchen Würmer.
Lars Schafft
Zum Erfolg von Klaus-Peter Wolfs Kriminalromanen
Klaus-Peter Wolfs Ostfrieslandkrimis sind mit einer Gesamtauflage von über einer Million ein großer wie überraschender Erfolg, mit dem anfangs 2007 weder der Autor noch der damalige Verlagsleiter gerechnet hatten. Hinter vorgehaltener Hand meinten sie kürzlich, dass bereits 10 . 000 verkaufte Romane durchaus ansehnlich gewesen wären. Ein Schenkelklopfer, retrospektiv betrachtet.
Wie lässt sich das erklären? Liegt es am Hype des Regionalkrimis, der seit einigen Jahren den Buchmarkt beschäftigt? Sind Klaus-Peter Wolfs Romane überhaupt solche, die in diese Schublade passen? Wüsste ich die Antwort auf die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis des Norder Schriftstellers, ich würde sie herzlich gerne gegen einen großzügigen Scheck verraten. Leider ist dem nicht so. Auch der Hinweis von Leserinnen und Lesern, dass sie »süchtig machen«, kann schwerlich als Erklärung dienen, gehen wir davon aus, dass der Fischer Verlag sein Papier nicht mit Halluzinogenen tränkt. Bleibt also nur, mich an den Tipp meines früheren Germanistik-Dozenten zu erinnern: »Wenn du keine Ahnung hast, halte dich an den Text!«
Bevor Sie erzittern und mit Unbehagen an einen sechshebigen Jambus oder ein Oxymoron denken müssen – keine Sorge. Darum soll es an dieser Stelle nicht gehen, auch nicht um eine Analyse von einzelnen Passagen. Mit »Text« meine ich hier die gesamte, mittlerweile sieben Bände umfassende Reihe der Ostfrieslandkrimis, betrachtet aus der Makroperspektive.
Diese soll hier unter den Gesichtspunkten character driven und plot driven unter die Lupe genommen werden. Gemeint ist damit
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