Anna, 13, (un)verliebt
normal.«
Lilly guckte mich an, als ob ich vom Mars käme. »Sie hat einen FREUND , verstehst du? Einen Verehrer. Einen Lover.«
Verstanden. Das ist was anderes. Mit einem Lover spielt man nicht bloß Karten oder geht mal einen Cappuccino trinken. »Was will sie denn mit dem?«, fragte ich.
»Keine Ahnung. Sicher nicht Karten spielen.«
An Lillys Gesicht konnte ich erkennen, dass sie sich lieber nicht vorstellen wollte, was die beiden so zusammen machen.
Und dass sie sich das alles schon längst vorgestellt hatte.
»Ist er nett?«
Lilly zuckte die Schultern »Keine Ahnung, ich kenne ihn noch nicht. Nächste Woche will sie ihn uns vorstellen. VORSTELLEN – so was Bescheuertes!
›Darf ich vorstellen: Das ist Karl Theodor, mein Geliebter. Und das sind Patti, Lilly und Max, meine drei Kinder. Waisenkinder, muss man wohl eher sagen, denn ab jetzt hab ich keine Zeit mehr für sie. Ich kümmere mich jetzt nur noch um dich, mein geliebter Karl Theo!‹
Kotz!«
Lilly stiegen Tränen in die Augen. Ich habe versucht, sie zu trösten, aber das klappte schlecht, denn Lilly wollte nicht getröstet werden. Sie wollte wütend sein.
»Deine Mutter ist doch schon so lange allein«, sagte ich.
»Die ist überhaupt nicht allein. Sie hat drei Kinder und einen Hund.«
»Ja, aber keinen Mann.«
»Den braucht man auch nicht.«
Seit Lillys Vater die Familie verlassen hat, ist Lilly nicht mehr gut auf ihn zu sprechen. Aber deswegen sind ja nicht alle Männer abscheuliche Monster.
»Karl Theodor schon!«, sagte Lilly trotzig. »Wetten, er hat eine Glatze, eine dicke Wampe und riecht schlecht? Er lässt sich von Mama die Hemden bügeln, plündert ihr Sparkonto und lässt sie schließlich mit gebrochenem Herzen sitzen. Ein Heiratsschwindler! Von solchen liest man immer wieder.«
Ich hätte gern mehr über Karl Theodor erfahren, aber jetzt machte Bärchen Radau. Nachdem er alle Enten verjagt hatte, war ihm langweilig. Laut bellend bedrängte Bärchen einen Mann, der sich gerade eine fette Wurst in den Mund schob.
Der Mann schlug wild um sich. »Unerhört! Hunde gehören an die Leine! Ksch! Mach, dass du wegkommst mit deinen Dreckpfoten!«
Lilly lief zu Bärchen und zog ihn energisch weg.
»Vielleicht war er das ja«, zischte sie. »Karl Theodor. Auch noch ein Tierquäler! Womit hab ich das bloß verdient?«
Donnerstag, 6. Februar
»Das bleibt unter uns«, hatte Lilly gesagt. Aber ich habe es John erzählt. Mit irgendjemandem muss man ja schließlich reden, wenn einen etwas beschäftigt. Und bei John bin ich sicher, dass er es nicht weitertratscht; dafür interessieren ihn meine Probleme zu wenig.
»Lilly ist eifersüchtig«, stellte er fest. »Zu Recht. Wenn Lillys Mutter jetzt einen Kerl hat, den sie liebt, dann bleibt für die Kinder weniger Liebe übrig. Ist doch logisch. Das ist so, als ob man einen Kuchen aufteilt. Je mehr davon essen wollen, umso kleiner werden die Stücke und irgendwann ist er alle.«
Was für ein blöder Vergleich!
»Quatsch!«, protestierte ich. »Es gibt doch viele verschiedene Arten von Liebe. Ich habe Mam und Papa anders lieb als dich oder Flecki. Und du hast Lilly anders lieb als mich, denn in die bist du verknallt.«
»Stimmt ja gar nicht«, brummte John. Das war’s – Gespräch beendet. Denn nun wollte er mit dem Weiberkram nichts mehr zu tun haben.
In der FANCY ist ein Test:
»All about boys: Wie Jungs in Liebesdingen ticken.«
Ich hab mal getestet, was John für einer ist:
Typ B: Der Coole mit Herz. Tut so, als ob er alles weiß und als ob ihn alles kaltlässt. In Wahrheit ist er aber sehr romantisch. Du musst nur seine zarte Seite entdecken, dann legt er dir die Welt zu Füßen.
Einen Teufel werde ich tun!
Aber ich bin beruhigt, dass John nicht Typ A ist, der dominante Macho. Oder Typ C, das Sensibelchen mit Weltschmerz. Schließlich ist er mein Bruder und für den will ich mich nicht schämen.
Freitag, 7. Februar
Immer, wenn ich bei Oma war, werde ich traurig
Seit dem Schlaganfall sitzt sie im Altenheim im Rollstuhl und muss betreut werden wie ein Baby; von selber geht bei ihr gar nichts mehr. Sie kann auch nicht mehr reden und das ist fast das Schlimmste; Oma hat nämlich kluge Gedanken. Ich weiß das, denn ich kann ihre Gedanken lesen. Das ist so, als ob sie ganz, ganz leise spricht, und ich bin die Einzige auf der Welt, die das hört. Zufällig sagt Oma immer genau das, was ich hören will, so kriegen wir nie Streit.
Heute war ich mit Oma in der Cafeteria und habe sie
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