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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Jüngeren war es langweilig, so dazusitzen und ihm zuzuhören, besonders da er wußte, daß die Leute, wenn
    er nicht dabei wäre, den Dünger auf das Feld bringen würden, ohne das Feld vorher ordentlich in Beete abzuteilen,
    und ihn, wenn er es nicht beaufsichtigte, Gott weiß wie hinwerfen würden und daß sie die Pflugmesser an den neuen
    Pflügen nicht ordentlich anschrauben würden, so daß sie losgingen, und dann sagen würden, diese neuen Pflüge, das
    sei doch eine törichte Erfindung, da seien die alten Hakenpflüge eine ganz andere Sache, und so weiter.
    »Lauf doch nicht soviel in der Hitze umher!« sagte Sergei Iwanowitsch zu ihm.
    »Ach, ich möchte nur für einen Augenblick mal ins Kontor gehen«, antwortete Ljewin und lief aufs Feld.

2
    Anfang Juni ereignete sich ein Unfall: die alte Kinderfrau und Wirtschafterin Agafja Michailowna trug einen
    Steintopf mit Pilzen, die sie soeben eingesalzen hatte, in den Keller, glitt dabei aus, fiel und verstauchte sich
    das Handgelenk. Man ließ den Landschaftsarzt kommen, einen jungen, geschwätzigen Menschen, der erst vor kurzem die
    Universität verlassen hatte. Er untersuchte die Hand, erklärte, sie sei nicht ausgerenkt, und ließ sich mit größtem
    Vergnügen in ein Gespräch mit dem berühmten Sergei Iwanowitsch Kosnüschew ein; um dabei seine aufgeklärten
    Anschauungen zum Ausdruck zu bringen, erzählte er ihm alle möglichen Klatschgeschichten aus dem Kreise und führte
    bittere Klage über die schlechten Zustände in der Verwaltung auf dem Lande. Sergei Iwanowitsch hörte ihm aufmerksam
    zu und stellte seinerseits manche Fragen; angeregt dadurch, daß er einmal einen neuen Zuhörer hatte, wurde auch er
    gesprächig, machte einige scharf betonte, gewichtige Bemerkungen, die der junge Arzt mit achtungsvoller
    Wertschätzung aufnahm, und geriet so in jene, seinem Bruder wohlbekannte, angeregte Stimmung, die sich bei ihm
    gewöhnlich nach einem lebhaften, geistsprühenden Gespräche einstellte. Nachdem der Arzt wieder weggefahren war,
    bekam Sergei Iwanowitsch Lust, nach dem Flusse zu fahren, um dort zu angeln. Er angelte gern und war gewissermaßen
    stolz darauf, daß er es fertigbrachte, an einer so stumpfsinnigen Beschäftigung Geschmack zu finden.
    Konstantin Ljewin, der zum Pflügen und auf die Wiesen mußte, erbot sich, den Bruder mit dem Einspänner
    hinzubringen.
    Es war die Zeit des Jahres, wo der Sommer auf seiner Höhe ist: wo die Getreideernte des laufenden Jahres sich
    bereits veranschlagen läßt; wo die Sorgen um die Aussaat für das künftige Jahr beginnen und die Heuernte
    heranrückt; wo der Roggen schon ganz in Ähren steht und graugrün mit seinen noch leichten, nicht vollen Ähren im
    Winde wogt; wo der grüne Hafer, mit den dazwischen verstreuten gelben Grasbüscheln, ungleichmäßig auf den
    Spätsaaten herauskommt; wo der frühe Buchweizen schon aufblüht und den Erdboden verdeckt; wo die vom Vieh steinhart
    gestampften Brachfelder zur Hälfte umgepflügt sind, mit Auslassung der Wege, in deren Erdboden der Hakenpflug nicht
    eindringt; wo die ausgefahrenen, schon etwas angetrockneten Düngerhaufen bei Sonnenuntergang ihren Geruch mit dem
    des Wiesenklees vereinen und in den Niederungen, der Sense harrend, wie ein zusammenhängendes Meer die
    wohlbehüteten Wiesen daliegen, mit den schwärzlichen Haufen von ausgejäteten Sauerampferstauden darin.
    Es war die Zeit, da in der Feldarbeit vor Beginn der alljährlich sich wiederholenden und alljährlich alle Kräfte
    der Landbevölkerung in Anspruch nehmenden Ernte eine kurze Ruhepause eintritt. Das Getreide stand prächtig, und es
    waren nun die hellen, warmen Sommertage mit den taureichen, kurzen Nächten gekommen.
    Die Brüder mußten durch einen Wald fahren, um zu den Wiesen zu gelangen. Voll Bewunderung betrachtete Sergei
    Iwanowitsch die ganze Zeit hindurch die Schönheit des dichtbelaubten Waldes: bald zeigte er seinem Bruder eine alte
    Linde, die auf der Schattenseite ganz dunkel, nur mit lauter gelben Nebenblättchen gesprenkelt, aussah und nahe
    daran war, aufzublühen, bald die wie Smaragd glänzenden jungen, heurigen Schößlinge an den Bäumen. Konstantin
    Ljewin sprach nicht gern über die Schönheit der Natur und hörte nicht gern darüber sprechen. Die Worte
    beeinträchtigten nach seinem Gefühle die Schönheit dessen, was er sah. Er sagte zu allem, was sein Bruder sprach,
    ja, begann aber unwillkürlich an andere Dinge zu denken. Als sie aus dem Walde herauskamen, wurde

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