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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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über Wronski gesagt hast, vieles nicht zutreffend, aber darüber will ich jetzt nicht reden. Ich sage dir nur geradeheraus: Ich an deiner Stelle würde jetzt mit nach Moskau fahren und ...«
     
    »Nein, ich weiß nicht, ob es dir bekannt ist oder nicht; aber meinetwegen magst du es wissen, mir ganz gleich, und ich will es dir selbst sagen: Ich habe einen Antrag gemacht und einen Korb bekommen, und Katerina Alexandrowna ist für mich jetzt weiter nichts mehr als eine schmerzliche, peinliche Erinnerung.«
     
    »Wieso denn? Dummes Zeug!«
     
    »Wir wollen nicht weiter darüber sprechen. Bitte, entschuldige, wenn ich grob gegen dich gewesen bin«, sagte Ljewin. Jetzt, nachdem er sich alles vom Herzen geredet hatte, wurde er wieder derselbe, der er am Morgen gewesen war. »Du bist doch nicht böse auf mich, Stiwa? Bitte, sei mir nicht böse!« bat er und ergriff lächelnd des anderen Hand.
     
    »Aber nein, ganz und gar nicht; dazu wäre ja auch gar kein Grund. Ich freue mich, daß wir uns miteinander ausgesprochen haben. Und weißt du, morgens pflegt der Schnepfenstrich gut zu sein. Wollen wir nicht noch einmal hinfahren? Ich würde dann eben auf den Morgenschlaf verzichten und gleich von der Jagd nach der Station fahren.«
     
    »Ausgezeichnet!«
     

18
     
    O bgleich Wronskis ganzes inneres Leben von seiner Leidenschaft ausgefüllt war, rollte doch sein äußeres Leben unverändert und unaufhaltsam in dem früheren gewohnten Geleise der gesellschaftlichen und kameradschaftlichen Beziehungen und Interessen dahin. Die kameradschaftlichen Interessen nahmen in Wronskis Leben eine wichtige Stelle ein, erstens, weil er sein Regiment liebte, und zweitens in noch höherem Grade deswegen, weil er im Regiment sehr beliebt war. Und Wronski war im Regiment nicht nur beliebt, sondern seine Kameraden schätzten ihn auch hoch und waren stolz darauf, daß dieser Mann, der über einen gewaltigen Reichtum verfügte und eine vorzügliche Bildung und ausgezeichnete Fähigkeiten besaß und auf jedem Gebiete, mochte er es nun auf Befriedigung des Ehrgeizes oder auf Befriedigung der Eitelkeit anlegen, den Weg zum Erfolge frei und unbehindert vor sich liegen sah, – daß dieser Mann das alles hintansetzte und von allen Lebensinteressen den Interessen des Regiments und der Kameraden in seinem Herzen den weitesten Raum gönnte. Wronski wußte, daß die Kameraden so über ihn dachten, und abgesehen davon, daß ihm dieses Leben zusagte, fühlte er sich verpflichtet, die über ihn bestehende Meinung durch sein Verhalten zu rechtfertigen.
     
    Es versteht sich von selbst, daß er mit keinem seiner Kameraden von seiner Liebe sprach, ja selbst bei den ärgsten Zechgelagen ließ er sich kein Wort darüber entschlüpfen (übrigens betrank er sich überhaupt nie so, daß er die Herrschaft über sich selbst verloren hätte) und stopfte denen seiner leichtsinnigen Kameraden den Mund, die sich erlaubten, Anspielungen auf sein Verhältnis zu machen. Aber trotzdem war seine Liebe in der ganzen Stadt bekannt; alle errieten mehr oder weniger genau die Natur seiner Beziehungen zu Frau Karenina; die meisten jungen Männer beneideten ihn gerade um das, was ihm bei dieser Liebe das Peinlichste war: daß Karenin eine so hohe amtliche Stellung bekleidete und daher diese Liebschaft den Blicken aller ausgesetzt war.
     
    Von den jungen Frauen hatten sehr viele Anna von jeher beneidet, und es hatte sie schon lange verdrossen, daß Anna in der Gesellschaft als eine ›durchaus anständige Frau‹ bezeichnet zu werden pflegte; diese freuten sich nun in der Voraussetzung, daß ihre Vermutungen richtig seien, und warteten nur auf den endgültigen Umschwung der öffentlichen Meinung, um mit der ganzen Wucht ihrer Verachtung über Anna herzufallen. Sie hielten bereits die Schmutzklumpen in Bereitschaft, mit denen sie sie bewerfen wollten, sobald der rechte Augenblick gekommen wäre. Dagegen waren die meisten Leute, die sich in höherem Lebensalter und in höherer Stellung befanden, sehr mißvergnügt über dieses sich vorbereitende gesellschaftliche Ärgernis.
     
    Wronskis Mutter war, als sie von dieser Liebschaft gehört hatte, anfangs damit zufrieden gewesen, erstens, weil ihrer Meinung nach nichts so geeignet war, einem jungen Manne in glänzender Lebensstellung den letzten Schliff zu geben, wie ein Liebesverhältnis in den höchsten Schichten der Gesellschaft, und zweitens, weil Frau Karenina, die ihr so gut gefallen und ihr so viel von ihrem kleinen Sohne

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