Ansichten Eines Clowns
Natürlich, er ist wirklich vom Fach - aber wenn er meint, ich sollte nach sechs
Bühnenjahren noch ein Studium anfangen - Unsinn!«
»Du brauchst also das Geld nicht?« fragte mein Vater. Eine kleine Spur von Erleichterung in seiner Stimme machte mich mißtrauisch. »Doch«, sagte ich, »ich brauche das Geld.«
»Was willst du denn tun? Weiter auftreten, in diesem Stadium ?«
»Welches Stadium?« fragte ich.
»Na«, sagte er verlegen, »du kennst doch deine Presse.«
»Meine Presse ?« sagte ich, »ich bin seit drei Monaten nur noch in der Provinz aufgetreten.«
»Ich habe mir das besorgen lassen«, sagte er, »ich habe es mit Genneholm durchgearbeitet.«
»Verdammt«, sagte ich, »was hast du ihm dafür bezahlt?« Er wurde rot. »Laß das doch«, sagte er, »also, was hast du vor?«
»Trainieren«, sagte ich, »arbeiten, ein halbes Jahr, ein ganzes, ich weiß noch nicht.«
»Wo ?«
»Hier«, sagte ich, »wo sonst ?« Es gelang ihm nur schlecht, seinen Schrecken zu verbergen.
»Ich werde euch nicht belästigen und nicht kompromittieren, ich werde nicht einmal zum jourfixe kommen«, sagte ich. Er wurde rot. Ich war ein paarmal zu ihrem jour fixe gegangen, wie irgendeiner, ohne sozusagen privat zu ihnen zu gehen. Ich hatte Cocktails getrunken und Oliven gegessen, Tee getrunken und mir beim Weggehen Zigaretten eingesteckt, so offen, daß die Diener es sahen und sich errötend abwendeten.
»Ach«, sagte mein Vater nur. Er wand sich in seinem Sessel. Am liebsten wäre er aufgestanden und hätte sich ans Fenster gestellt. Jetzt senkte er nur den Blick und
sagte: »Es wäre mir lieber, du würdest den soliden Weg wählen, den Genneholm
Tasche und zeigte sie ihm. Er beugte sich tatsächlich darüber und sah sie sich an wie ein merkwürdiges Insekt.
»Es fällt mir schwer, dir zu glauben«, sagte er, ich habe dich jedenfalls nicht zum Verschwender erzogen. Was müßtest du denn so monatlich haben, wie hast du dir die Sache gedacht?«
Mein Herz schlug heftig. Ich hatte nicht geglaubt, daß er mir so direkt würde helfen wollen. Ich überlegte. Nicht zu wenig und nicht zuviel, und doch genug mußte ich haben, aber ich hatte keine, nicht die geringste Ahnung, was ich brauchen würde. Strom, Telefon, und irgendwie mußte ich ja leben. Ich schwitzte vor Aufregung. »Zunächst«, sagte ich, »brauche ich eine dicke Gummimatte, so groß wie dieses Zimmer, sieben mal fünf, die könntest du mir aus euren Rheinischen Gummibearbeitungsfabriken billiger besorgen.«
»Schön«, sagte er lächelnd, »ich stifte sie dir sogar. Sieben mal fünf - aber Genneholm meint, du solltest dich nicht mit Akrobatik verzetteln.«
»Werde ich nicht, Papa«, sagte ich, »außer der Matte würde ich wohl noch tausend Mark im Monat brauchen.«
»Tausend Mark«, sagte er. Er stand auf, sein Schrecken war aufrichtig, seine Lippen bebten.
»Na gut«, sagte ich, »was dachtest du denn?« Ich hatte keine Ahnung, wieviel Geld er wirklich hatte. Ein Jahr lang tausend Mark - soviel konnte ich rechnen - waren zwölftausend Mark, und eine solche Summe konnte ihn nicht umbringen. Er war wirklich Millionär, das hatte Maries Vater mir genau erklärt und mir einmal vorgerechnet. Ich erinnerte mich nicht mehr genau. Er hatte überall Aktien und die
»Hände drin«. Sogar in dieser Badezeugfabrik.
Er ging hinter seinem Sessel hin und her, ganz ruhig, die Lippen bewegend, als ob er rechnete. Vielleicht tat ers wirklich, aber es dauerte sehr lange.
daß er mir aus moralischen Gründen jede Unterstützung verweigere und von mir erwarte, daß ich mit »meiner Hände Arbeit« mich »und das unglückliche, anständige Mädchen, das du verführt hast« ernährte. Er habe den alten Derkum, wie ich wisse, immer geschätzt, als Gegner und als Mensch, und es sei ein Skandal.
Wir wohnten in einer Pension in Köln-Ehrenfeld. Die siebenhundert Mark, die Maries Mutter ihr hinterlassen hatte, waren nach einem Monat weg, und ich hatte das Gefühl, sehr sparsam und vernünftig damit umgegangen zu sein.
Wir wohnten in der Nähe des Ehrenfelder Bahnhofs, blickten vom Fenster unseres Zimmers aus auf die rote Backsteinmauer des Bahndamms, Braunkohlenzüge fuhren voll in die Stadt herein, leer aus ihr hinaus, ein trostreicher Anblick, ein herzbewegendes Geräusch, ich mußte immer an die ausgeglichene Vermögenslage zu Hause denken. Vom Badezimmer aus der Blick auf Zinkwannen und Wäscheleinen, im Dunkeln manchmal das Geräusch einer fallenden Büchse oder einer
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