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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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wurde.« Ihre Hände machten eine nervöse Bewegung.
    Â»Warum nicht?« Julie zuckte mit den Schultern. »Bei dem schönen Wetter wäre es eine Schande, den ganzen Tag drinnen zu sitzen! Gehen wir zu Fuß oder sollen wir meinen Wagen nehmen?«
    Â»Weder noch. Ich habe für drei Uhr ein Taxi bestellt«, erklärte Antonia. Im selben Moment läutete die Türglocke.
    Julie hob irritiert eine Augenbraue.

    Der Kies knirschte unter den Reifen des alten Daimlers. Hin und wieder spritzte Schotter in die Höhe und schlug gegen die Räder. Mit jeder engen Windung, die der unbefestigte Feldweg nahm, wurde die Miene des Taxifahrers noch missmutiger.
    Â»Und Sie sind sicher, dass es da oben eine Wendemöglichkeit gibt?«
    Â»Da oben könnte ein ganzer Lastzug wenden, also machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte Antonia ihn. Hinter fast unsichtbaren Elektrodrähten sprangen braune Kühe – je nach Gemüt – erschrocken zur Seite oder glotzten nur gelangweilt, als sie das Auto erspähten. Antonia hielt sich mit einer Hand amHaltegriff fest, rutschte auf dem abgewetzten Kunstleder nach vorn und schaute angestrengt aus dem Fenster. Wenige Minuten später stupste sie Julie leicht an.
    Â»Gleich können Sie auf der linken Seite für einen kurzen Moment die Alpen sehen. Zumindest an einem so klaren Tag wie dem heutigen. Schauen Sie, da!«
    Tatsächlich war im nächsten Augenblick in der Ferne die massive Felskette zu sehen. Julie, die bisher wortlos aus dem Fenster geschaut hatte, stieß einen leisen Begeisterungsschrei aus. Selbst der Taxifahrer warf einen Blick nach links und sah einen Moment lang weniger missmutig aus.
    Die Kurven wurden immer steiler. Antonia fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, die plötzlich trocken geworden waren.
    Wenn sie sich recht erinnerte, musste nun gleich das Plateau mit den ehemaligen Tennisplätzen in Sicht kommen. Da! Da war es. Oder doch nicht? Zweifelnd schaute Antonia auf das mit Disteln überwucherte langgestreckte Feld, das sich zu ihrer Rechten erstreckte. Nein, das war der Übungsplatz für die Bogenschützen gewesen. Die Tennisplätze hatten hinter dem Haus gelegen, erinnerte sie sich. Ihr Blick fiel auf eine Aussichtsbank abseits des Weges, von der lediglich noch ein Brett der Sitzfläche sowie eins von der Rückenlehne übrig geblieben waren. An schönen Tagen wie diesem hatte man den Eindruck gehabt, sich nur ein wenig strecken zu müssen, um von hier aus einen Zipfel des blau gewaschenen Himmels zu erhaschen.
    Antonias Brust wurde auf einmal eng. Nur noch ein paar Kurven trennten sie von dem hoch gelegenen Plateau, wo keine Berge, keine Felsvorsprünge mehr das Auge ablenkten. Gleich. Gleich würde es so weit sein. So viele Jahre war es her … Fast schüchtern schaute sie zu Julie hinüber. Die beiden Frauen lächelten sich an.
    Dann huschte der letzte Fels an Antonias Fenster vorbei, und der Daimler fuhr plötzlich wieder waagerecht. Die Steigung war bewältigt.
    Der Taxifahrer stieß einen Pfiff aus. Er hielt an und schautesich ungläubig um. »Wer hätte das gedacht! Das ist ja wie … eine Welt für sich!«
    Â»Ich glaub es nicht!« Wie in Trance stieg Julie aus. Sie machte ein paar Schritte nach vorn und blinzelte, als wolle sie sich versichern, dass sie nicht einer optischen Täuschung unterlag.
    Vor ihnen breitete sich eine riesige Hochebene aus, samtig überzogen von dicken Teppichen aus Heidekraut. Doch nicht deren mattes Lila fing das Auge des Betrachters ein und auch nicht die plustrigen Wolken, die scheinbar zum Greifen nahe über ihre Köpfe hinweghuschten. Es war ein riesiges Haus, genauer gesagt ein Berghof, der die Blicke auf sich zog. Majestätisch erhob sich der Hof wie aus dem Nichts, reckte sich dem Himmel entgegen, in goldenes Sonnenlicht getaucht, als hätte ein Bühnenbildner die Beleuchtung für diesen Moment geplant. Die Symmetrie des Fachwerks – dunkles Holz und gekalkte Wände – war eindrucksvoll, obwohl die Wände vom Alter grau und fleckig waren. Man brauchte nicht viel Vorstellungsvermögen, um sich auszumalen, welche Wirkung allein ein simpler Anstrich mit weißer Farbe erzielen würde. Die Sonne spiegelte sich gleißend in den Dutzenden von Fenstern, von denen ein Großteil noch intakt war. Keine toten Augen wie sonst in verlassenen Häusern blickten ihnen

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