Anziehungskraft: Stil kennt keine Größe (German Edition)
Mensch. Wir haben ein herzliches Verhältnis und sie könnte in diesem Buch auch mit vollem Namen auftreten, doch möchte ich meinen Lieben die Anonymität sichern.
Ob Silikon süchtig macht, habe ich mich schon des Öfteren gefragt. Vermutlich wird den Damen zum Silikonkissen auch noch ein Suchtmittel implantiert, sodass einige immer mehr wollen. Meine nicht belegte Studie lautet: Wer sich früh die Brust vergrößern lässt, hat auch später keine Angst vor chirurgischen Eingriffen. Botox, Hyaluronsäure und Silikon sind mit dem Leben von Madame und ihrem Körper eine feste Verbindung eingegangen.
Dank Silikon und einem hochattraktiven syrischen Schönheitschirurgen hatte ich das Vergnügen, eine stattliche Anzahl von neuen Abendkleidern für sie fertigen zu dürfen. Wir treffen uns ausschließlich zum Mittagessen. Es gibt Artischocken und Bouillabaisse, sie trinkt vier Gläser Wein, ich nippe an einem. Wir essen immer in den gleichen Lokalitäten – im Sommer auf der Terrasse, im Winter unter einem Heizpilz.
Wenn in Paris im Winter die Sonne scheint, ist es irgendwie heller als in vielen anderen Städten. Fragen Sie mich bitte nicht wieso, aber es ist so. Meine erste, unter einem Heizpilz getrunkene heiße Schokolade hat mein deutsches Energiesparweltbild entscheidend beeinflusst. Es gibt eine Nation, die, nur um draußen zu sitzen, Energie vergeudet. Ich war mir sicher, derartige Annehmlichkeiten werden wir niemals in Deutschland erreichen. Einem Land, das wie keine andere Nation seinen Müll trennt und um das ungemütliche Licht aus Energiesparbirnen kämpft. Aber ich hatte mich geirrt: Heutzutage ist es so, dass sogar meine Eltern im Winter im Garten grillen könnten. Das zum Thema Energievorurteile in der Welt.
Seit meine liebe Pariser Kundin endlich ein Alles-oben-Mädchen war, trug sie fast nur noch Dekolleté. Sie hat eine fast knabenhafte Figur, relativ gerade Hüften, eine Taille mit hoher Leibeshöhe, sehr schlanke Arme, die sie (außer zum Weißweingläser-Anheben) fast nie benutzte, so ihr O-Ton. Ich kenne keine andere Frau, die so natürlich nackt ist. Höchstens die von mir so verehrte Schauspielfreundin Inga Busch. Kämen die beiden nackt in ein Straßencafé – ich bin mir sicher, nach einer Minute hätten sich alle daran gewöhnt und würden die Nacktheit vergessen. Inga könnte heute immer noch nackt einkaufen gehen, meine französische Brustfreundin hat sich seit ihrer zweiten Brust- OP dazu die Chance genommen. Inzwischen bestellen nur noch ihre zwei Brüste den Weißwein und das halbe Lokal schaut auf ihr Dekolleté. Ihr Kleidungsstil ist ruhig und unaufdringlich, stets von bester Qualität. Die Farbe Schwarz dominiert jeden ihrer Looks. Die perfekte Kombination aus verschiedenen schwarzen Materialien, mal Seide, mal Leder, mal Chiffon, aber immer mit Wasserfall-Ausschnitten, die ihr Dekolleté stets perfekt in Szene setzen. Das Spiel vom Weglassen und Betonen – darin ist sie eine Meisterin, eine Virtuosin! Sie trägt nie Ketten oder Halsbänder. Es sind ihre Ohren, Hände und Arme, die mit blassen Opalen, ausnahmslos in Cabochon geschliffen, dezent funkeln. Die Steine wirken immer so, als würden sie schweben, die Fassung ist fast nicht zu erkennen. Das Außergewöhnliche an einem guten Geschmack ist, nicht immer das Beste zu tragen, sondern sich Gedanken darüber zu machen, ob es etwas für einen tut! Die vielleicht schönsten schwarzen Kaschmirmäntel meiner Kollektionen hängen in ihren Schränken. Zu jedem Mantel gibt es einen schwarzen Hosenanzug, ein Kostüm mit schmaler Taille und ein Kleid mit Wasserfallkragen. Nie hat sie eine Tasche dabei. Ein Haustürschlüssel, etwas Geld und ein Lippenstift muss in jedem ihrer Outfits Platz finden.
Nichts mit sich herumzuschleppen muss wunderbar sein! Meine Taschen werden immer schwerer und irgendwie will immer alles mit. Ich sollte meinen Sächelchen auch Hausverbot erteilen! Es mag dem Umstand geschuldet sein, dass sie kein Mobiltelefon und keinen Beruf besitzt, also keine Kabel, keine Akkus, auch keine Agenda mit sich herumschleppen muss. Sie liest nur zu Hause. »Draußen schaue ich mich um, esse und alles, was ich in der Wohnung haben muss, wird geliefert«, sagt sie. Reisen sind ihr ein Gräuel, sie hat Paris seit sicher 25 Jahren nicht mehr verlassen – die einzige Ausnahme im Jahr ist, im Herbst mit mir das Château de Malmaison zu besuchen, welches etwas außerhalb der Stadt liegt.
Seit vielen Jahren ist es mir eine lieb
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