Anziehungskraft: Stil kennt keine Größe (German Edition)
Das Design war, sagen wir mal, eigenwillig und aus der Mode, aber die Steine waren zum Teil von einer beachtlichen Größe. Ich war erstaunt und verlegen zugleich, die kleinen Zettel zu sehen, die die Geschichten einer Liebelei in einer Schonungslosigkeit und Direktheit offenbarten. »Gestern Nacht, es war so wundervoll, dein Walter« … »Immer Du, immer mein, Walter«. So viel Intimität, so viel Vertrautheit – manchmal erzählt das Leben seine Geheimnisse in kleinen abgegriffenen Zettelchen, gehalten in den Händen einer Frau, die in Miederhöschen auf gemusterter Bettwäsche sitzt. Ihre üppigen Formen hätten ihn nie gestört, sagte sie stolz. Das wäre auch noch schöner, dachte ich, da der gute Walter ja nicht nur ein Doppelleben führte, sondern auch wie eines aussah. Wie gesagt, als 1978 dürre Hippies Hasch rauchten, hat Walter vermutlich sehr häufig am Schweinebraten geknabbert und hatte beim Weltwirtschaftswunder kräftig zugeschlagen. Walter mochte ein Feigling gewesen sein, aber er war durchaus spendabel gewesen. Spendabel, was für ein Wort. Was bedeutet das überhaupt? Irgendwie so etwas wie Großzügigkeit? Aber spendabel ist für mich auch immer etwas lauter als Großzügigkeit. Walter war, was zumindest den Schmuck betraf, sehr spendabel. Für die Lebensplanung mäßiger großzügig. Ein Leben lang auf die Entscheidung zu warten, von der Teilzeitgeliebten zur hauptberuflichen Ehefrau gemacht zu werden, ist offenbar kein Vergnügen – egal wie viel Schmuck man dafür bekommt. Die Silbermedaille ist in der Liebe nicht Ersatz für die goldene. Auf einem Bett sitzen mit Schachteln voller Goldschmuck heißt nicht immer, auch auf dem Siegertreppchen zu stehen. Ihre Altersvorsorge war ihr Schmuckschatz. Walters Vermächtnis. Es muss sehr beschämend sein, als Witwe an der Rezeption zu sitzen, während oben die Erbfolge geregelt wird. Ein herzliches Beileid darf nur der erwarten, von dessen Existenz die Menschen auch wissen. Ihr blieb nur der Blick in die Kästchen und das endlose Lesen der innigen Zeilen. Ein anonymer Blumengruß auf seinem Grab, der erst, wenn alle gegangen waren, seinen Platz finden durfte. Es hatte sich für sie aber vermutlich bald ausgelesen, da sie mich offensichtlich nicht als einen Couturier benötigte, sondern als einen Vertrauten, um den Schmuck, der ihre Anlage war, zu veräußern.
Wenn Nadel und Faden nicht zum Glück beitragen können, biete ich gerne Herz und Verstand, Schulter und warme Hand: »Ein textiler Gemischtwarenladen mit sozialer Kompetenz« wäre vermutlich die korrekte Beschreibung meiner Gewerbeanmeldung gewesen. So trauten wir uns gemeinsam auf den Weg nach »Schmuckcanossa«, um das zu veräußern, was sie liebte. Das, was ihr geblieben war. Sie brauchte Geld und musste sich von einem Teil der goldenen Erinnerungen lösen. Ihrer Altersvorsorge. Walters Vermächtnis. Für mich hatte dieser Tag etwas Bedrückendes, einen eigentlich fremden Menschen zu begleiten und seine Erinnerungen zu veräußern. Die Dolomiten mochten Walter das Leben gekostet haben. Die Expertisen der Juweliere dann fast ihres.
All die Cartier- und Bulgarikästchen mit ihren goldenen Aufschriften, sie waren Originalverpackungen für den Schmuck seiner Ehefrau gewesen. Für die Geliebte hatte er nur Modeschmuck gekauft, den er in den Originalpäckchen verpacken und beschriften ließ, was die feminine Handschrift erklären würde. Zugegeben, es handelte sich um exquisite Kopien der Originale, wie sie gern von vermögenden Damen getragen werden, während der echte Schmuck sicher in den Schließfächern und Safes verblieb. »Reiseschmuck« war das Wort, das sie traf und aus der Bahn schlug, wie einst Walter aus der Kurve.
Der Mantel bekam ein neues Futter und ich legte noch ein Kleid dazu – in Violett, versteht sich. Eine Rechnung habe ich ihr nie geschrieben, einfach vergessen … Ich hoffe, dass Walter auf einer zugigen Wolke vergessen wurde, und sollte es eine Wiedergeburt geben, dann wünsche ich ihm eine gute Zeit an irgendeiner zugigen Rezeption.
Woran erkennen Sie die Von-allem-etwas-zu-viel-Frau?
Sie ist meistens eine sehr lebensfrohe Person, die durch ihren molligen Körperbau sympathisch und liebenswert wirkt. Ihre weiblichen Formen sind bei Männern sehr beliebt – die Frauen wollen sie loswerden – das ist paradox. Aber Sie wissen ja, unter Ihrer Fülle liegt eine Perfekte verborgen.
Prominente Von-allem-etwas-zu-viel-Frauen: das Oscar-Girl Jennifer Hudson, die
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