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Anziehungskraft: Stil kennt keine Größe (German Edition)

Anziehungskraft: Stil kennt keine Größe (German Edition)

Titel: Anziehungskraft: Stil kennt keine Größe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Maria Kretschmer
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sehr, sehr unvorteilhaft aus. Auch wenn beides aus Kaschmir gefertigt wurde. Wäre sie nicht so vermögend gewesen und ihr Umfeld so gediegen rustikal, ihr Look von so guter Qualität, wäre sie ohne Probleme als ukrainische Traktorfahrerin durchgegangen.
    Ihr Beziehungsstatus war verwitwet. Ich habe sie nie über den dahingeschiedenen Gatten sprechen hören. Auch habe ich kein Foto gesehen, das an ihn erinnerte. Dafür war die Bude gerammelt voll mit Jagddevotionalien jeglicher Couleur. Alles, was Horn oder Fell hat, hing an der Wand, stand auf dem Boden oder hing eben an ihr. Hornknöpfe waren ihre große Leidenschaft. Kleine Pfötchen und Tatzen hingen an allem, was sich Sitzmöbel nennen durfte. Sie schoss auf alles, was im günstigsten Fall nicht bei drei auf dem Baum war oder hinter ihm verschwand.
    Ich bin froh für alle Tiere in Afrika, da sie den Schwarzen Kontinent nicht bereisen konnte – Angst vor Malaria. In diesem speziellen Fall muss ich sagen: Leider gibt es in Skandinavien keine Anophelesmücken – gut für die Bevölkerung, schlecht für die Elche. »Seien Sie nicht so zimperlich, das nennt man Revierpege. Die Wolle, aus der Sie das Mäntelchen für mich basteln, wird ja auch nicht von den Schafen herunter gestreichelt.« Mäntelchen waren in ihrem Fall häufig Capelein in Jagdgrün, mit Hornschnallen versehen, versteht sich.
    Ihr Zuhause war ein umgebauter Bauernhof, ein idyllisches Fleckchen Erde mit einem weiten Blick über die reizvolle Gegend und sicher einem reichen Wildbestand. In den Jahren unserer Zusammenarbeit habe ich gelernt, Wollcapes mit Lodenpaspeln und Blenden zu versehen. Es gab keine Anprobe ohne ein deftiges Mittagessen. Wenn sie etwas konnte, dann kochen und sich aufregen. Die Verwandtschaft war ihr ein Gräuel. Die Nachbarn verspannt, die Tierschützer verdreht, aber sie wählte »Grün« – vielleicht nur aus einem Grund: weil es die Farbe ihres Lodens hatte. Ihre Musik, die sie pausenlos hörte, war irgendwie immer geblasen. Ich kann mit Recht behaupten, dass mir nicht ein Musikstück jemals gefallen hat. Sie wusste genau um diesen Umstand und drehte immer gern besonders laut, wenn ich bei ihr war.
    Wir konnten zusammen lachen, ja, das konnten wir. Sie war die frechste und ehrlichste Haut, die ich jemals getroffen hatte. Sie war so weit von mir entfernt, so wenig mit meiner Vorstellung vom Leben kompatibel, aber ich mochte sie und sie mich. »Hören Sie doch mal auf, Männer zu küssen«, sagte sie gern und streichelte dabei gerne meine Wangen. »Ist doch schade darum. Sie sollten sich vermehren. Wer ein Gewehr hat, sollte auch eine Ricke erschießen können.« Dabei lachte sie laut. Sie hatte sich reproduziert, aber ihre Brut hatte keinen Kontakt mehr zu ihr. Vielleicht auch schwierig, eine Mutter zu haben, die gerne schießt – sei es mit Worten oder mit doppelläufigen Schrotinten.
    Der Typ Buddhagirl ist im Sommer eigentlich recht gut anzuziehen, wenn es leicht und luftig zugeht. Doch wer auch im Hochsommer auf dünne, aber eben Wolle schwört, hat es mollig warm. Mein Flintenweib hatte es immer dementsprechend warm. Leinen hat leider die nicht schöne Angewohnheit, zu knittern und hochzuwandern. Ihre Sommerkleider aus viel zu festem Leinen suchten unermüdlich den Aufstieg. Das klägliche Scheitern hinterlässt unschöne Falten. Wir hatten für sie einige Nachthemden gefertigt, aus viel zu bockigem Leinen, für meinen Geschmack. Aber »Mutti« war eben der Chef. An einem Tag der sehr frühen Anprobe hatte ich das Vergnügen, »Mutti-kommt-gerade-aus-dem-Bett« zu erleben. Ich kann mit Sicherheit behaupten, dass ich noch nie ein Kleidungsstück gesehen habe, das so wenig mit dem zu tun hatte, was mein Atelier vor einiger Zeit verlassen hatte. Aus dem knielangen Nachtgewand war ein Minikleid geworden. Es war das verknittertste Teil, das ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Ich musste laut lachen und konnte für Minuten vor Freude kaum noch Luft bekommen. Wir haben uns immer wieder gerne an diesen Tag erinnert, da sie seit jenem Morgen sicher war, dass sie meinen endgültigen Verlust für die Damenwelt zu verantworten hatte. Ihre Leibesfülle blieb über die Jahre konstant. Ihre Liebe zu Loden und Trachten nahm zu.
    Ich weiß nicht, wer ihr die erste Applikation in Form eines Bügelmotives gezeigt hatte, mögen dieser Person noch heute die Finger abfallen. Sie hortete in Kästchen eine Vielzahl von Motiven, die an Hässlichkeit nicht zu überbieten waren. Die von

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