Anziehungskraft: Stil kennt keine Größe (German Edition)
Beutelchen« so elegant zum Einsatz kommen sehen. Sie konnte laufen wie ein Engel und sich übergeben wie eine Königin. Sollte ich jemals in diese Lage kommen, ich werde versuchen, sie zu kopieren. Wer einen Tomatensaft so still in eine kleine Tüte umfüllen kann, hat Stil und Klasse. Pausenlose Fragen, »Que era este – was war das!«, und Antworten, »No es normal. Creo, que no estamos seguro«. Spanisch ist meine Lieblingssprache, es lässt sich wunderbar in ihr freuen, ärgern, meditieren und eben auch beruhigen: »Rrreeeelaajaa toodoo el cuueerppooo fiisiico, por favooor Coonchiitaa« … Noch Fragen?
Als wir dann endlich in Düsseldorf gelandet waren, küsste sie fast den Boden – und hatte in der nächsten Sekunde alle Strapazen des Flugs vergessen! »Tengo un hambre no puedes imaginar«, das heißt, sie hatte Hunger. Zu jener Zeit gab es noch keine Fahrer, die mit einem Schild am Ausgang auf mich warteten. Wir nahmen die S-Bahn und dann den Zug in Richtung Münster, um mein damaliges Büro aufzusuchen. N R W muss jetzt ganz stark sein. Conchita war der festen Überzeugung, dass wir durch den damaligen Osten fuhren. Dortmund war für sie hinter der Mauer gewesen, Gleiches gilt für Recklinghausen und leider auch für den grausigen Bahnhof in meiner sonst so wunderschönen Heimatstadt Münster.
Mein Atelier war Büro und Lager zugleich, gelegen in einem sympathischen Hinterhaus. Dort lebte ich mit meinem besten Freund, seinem von der Freundin geparkten Chihuahua »Siri« und 21 Stoffrollen harmonisch zusammen. Mein lieber studierender Freund schlug fast um, als ich mit Conchita im Gepäck den Hinterhof betrat. Die Perfekte war nicht nur ein spanischer Sonnenschein, sondern auch nicht davon abzubringen, Land und Leute im Osten kennenzulernen.
Meine geliebte Mutter kam uns in diesen Tagen im Hinterhaus besuchen. Egal wen auch immer und von wo aus der Welt ich mitgebracht hatte – es gab nicht einen Menschen, der ihr jemals missfallen hätte. Sie ist der wärmste, offenste und toleranteste Mensch, den ich in meinem ganzen Leben getroffen habe. Im Gegensatz zu meinem Vater ist meine Mutter allerdings trotz diverser Aufenthalte in meinem spanischen Zuhause in der Landessprache Spanisch nie richtig angekommen. Meine Mutter verwechselt einfach alles. Ihr Lieblingsgetränk heißt »Lumumba«. Lumumba ist ein Getränk aus heißem Kakao und Cognac. Herzlich willkommen heißt »Bienvenido« und Hallo heißt »Hola«. Meine Mutter begrüßte Conchita mit den Worten »Rabumba Rabumba«. Sie hatte da wohl etwas durcheinandergebracht, küsste Conchita aber von Herzen und bot zur Begrüßung einen heißen »Hola« an.
In den folgenden Tagen besuchten wir Kunden, am Abend wurde gekocht und die Schönheit der liebenswerten Conchita sprach sich im Freundeskreis meines lieben Mitbewohners wie ein Lauffeuer herum. Conchita wollte den kulturellen Austausch und knutschte schon am ersten Abend mit einem der herbeigeeilten Besucher, als ob es keinen Morgen gäbe. Tag für Tag wurde sie entspannter und am letzten Tag vor unserer Abreise sollte es zum endgültigen Kulturaustausch kommen.
Der Botschafter unserer Stadt kam in Form eines gut aussehenden, Motorrad fahrenden Gartenbauingenieurs, der auf den Namen Hermann hörte. »H« ist nicht der Buchstabe, der in der spanischen Sprache Beachtung gefunden hätte. Das »H« wird nicht mitgesprochen. So wurde aus »Hermann« eben »Ermann«. Ob es an Eierlikör mit Sekt oder dem ostdeutschen Charme der Münsteraner gelegen hatte, kann ich heute nur noch vermuten. Meine schöne Conchita verführte den guten Ermann auf eine so direkte Art, dass für einen geraumen Zeitabschnitt einige Münsteraner Studenten glaubten, dass schöne spanische Models keine Angst vor spontaner Liebe haben. Die Ostdeutschen sind ja liberal, hatte sie gehört. »Ja ja, sie hatten nur Sex, FKK und die Mauer«, sagte sie. »Ganz ehrlich, wer kann schon sagen, wo bei einer Mauer davor oder dahinter ist.« Wo sie recht hat, hat sie recht. Wenn spanisches Blut nach Kulturaustausch verlangt, dann war Conchita sicher das Beispiel dafür, dass alles möglich war.
Wer billig fliegt, hat in der Regel den ersten Flug am Morgen. In unserem Fall 5:20 Uhr ab Düsseldorf. Für uns hieß das, um 2:30 Uhr in der Nacht das Haus zu verlassen. Conchita musste aus den Armen ihres Kulturaustausches gerissen werden, was nicht ganz einfach war. Die Liebe war eingeschlagen: Ermann – que guapo! Ermann hatte nichts Besseres zu
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