Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
auch der größte Gestank.
Je weiter er ging, desto mehr Leichen sah er. Es schien, als hätte es die Menschen kurz vor ihrem überraschenden Tod ebenfalls Richtung Altstadt gezogen. Die meisten Männer trugen Kippa, viele umklammerten im Todeskampf verwitterte Israelfahnen. Die Yafo war kaum passierbar, der Gestank wurde nun doch unerträglich. Als Peter das Jaffator zur Jerusalemer Altstadt passierte, sah er das ganze Ausmaß der Verwüstung. Die jahrhundertealten Häuser waren zum größten Teil zerstört und abgebrannt, wie von einer gewaltigen Explosion niedergewalzt. Peter musste über einen Berg aus Trümmern und Leichen klettern, um tiefer ins Zentrum der Heiligen Stadt vorzudringen. Je weiter er kam, desto größer wurde das Ausmaß der Zerstörung. Als er würgend und keuchend den Tempelberg erreicht hatte, stand die Sonne bereits tief über dem Horizont, badete das Grauen in ein gleichgültiges, dämmeriges Farbenspiel, wie um klarzustellen, dass sie das hier alles nichts anging. Von der Klagemauer, vom goldenen Tempeldom und der al-Aqsa-Moschee war nichts mehr übrig. Ein wüstes Plateau erstreckte sich an der Stelle um die große Felsnase herum, die Herodes der Große einst weiträumig mit Mauern eingefasst und aufgeschüttet hatte, um darauf den größten Tempel seiner Zeit zu errichten. Auf dem Plateau konnte Peter hunderttausendfachen Tod unter sich spüren. All die Leichen, die zwischen zerborstenen Mauern und Gebäudetrümmern verrotteten …
»Sie waren alle gekommen, um zu beten. Juden, Muslime, Christen. Sie haben wirklich geglaubt, dass sie es mit Gebeten noch aufhalten können.«
Peter wirbelte herum. Die Frau trug die Tracht einer katholischen Nonne. Peter kannte sie aus seinen Träumen. Sie wirkte blass und traurig.
Traurig über dich!
Maria stand einige Meter vor ihm, kam aber nicht näher, als sei der Boden zwischen ihnen nicht sicher.
»Was ist hier passiert, Maria?«
»Das siehst du doch. Die Apokalypse. Wir haben es nicht aufhalten können. Sie sind alle tot. Das Böse hat gesiegt.«
»Was meinst du mit alle?«
»Alle. Die ganze Menschheit.«
Peter schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist nur eine Halluzination. Das ist nicht real.«
»Doch, Peter. Das wird es.«
Er dachte nach. Die Sonne versank hinter dem Horizont, wie zum allerletzten Mal.
»Und warum dann nicht wir, Maria? Warum sind wir noch am Leben?«
»Weil das die ganze Zeit der Plan war, Peter. Wir sind der Neuanfang.«
»Der Plan, sagst du? Wessen Plan?«
Sie kam jetzt doch einen Schritt näher. Streckte die Hand aus, um ihn zu berühren, erreichte ihn aber nicht. In ihrem Gesicht stand nichts als Schmerz und Trauer.
» Dein Plan, Peter. Verstehst du immer noch nicht? Dies ist dein Werk. Du bist Seth. Du, Peter – bist das Böse.«
VI
17. Juli 2011, Rom
A ls der Learjet mit dem Logo von Nakashima Industries Rom von Osten her in den Endanflug auf den Flughafen Ciampino einschwenkte, warf Laurenz einen kurzen Blick auf die Ewige Stadt. Sie lag unter einem milchigen Schleier aus Hitze, Dunst und Smog und wirkte so vertraut und stoisch wie immer. Er konnte sogar das große Holzkreuz erkennen, das über den Trümmern des Petersdoms errichtet worden war. Nichts deutete von hier oben auf Chaos, Schock und Bestürzung hin. Aber Rom hatte schon Kaiser und Kaiserreiche kommen und fallen sehen, die Stadt hatte die Goten überlebt, Verwüstungen, Feuersbrünste, Seuchen, Naturkatastrophen, Mussolinis Bauwahn, die Immobilienspekulationen und korrupten Verwaltungen der Nachkriegszeit überstanden. Sie würde auch diese Krise überstehen, daran zweifelte Laurenz keinen Augenblick. Seine Sorge galt vielmehr dem Vatikan, jenem kuriosen Zwergstaat von einem halben Quadratkilometer und knapp tausend Einwohnern im Herzen der Stadt, der zugleich spirituelles und machtpolitisches Zentrum der römisch-katholischen Kirche bildete, der größten Religionsgemeinschaft der Welt. In seinem einzigen Interview als Papst hatte Laurenz den Vatikan ohne Zögern als Heimat bezeichnet. Vor wenigen Wochen hatte er mit ansehen müssen, wie eine gewaltige Bombe den Petersdom und die Sixtinische Kapelle zerstörte, doch das war nichts im Vergleich zu der Wirkung, die dieser Mord haben würde. Der heilige Malachias hatte mit seinen Prophezeiungen in allen Punkten recht behalten. Laurenz gab sich keinen Illusionen hin. Der Vatikan, die römisch-katholische Kirche, so wie er sie kannte, war am Ende.
Laurenz’ Boxerpranken ruhten gefaltet auf
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