Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
seinem Klapphocker abgesucht. Auch in der Bar war er nicht erschienen, weder er noch sein Zwillingsbruder noch eine der jungen Frauen. Am Abend hatte sie befürchtet, dass der Mann wieder abgereist sei. Dass sie den entscheidenden Moment verpasst habe. Dass sie wie Parsifal die einfachste Frage der Welt nicht gestellt hatte und dieses Zögern nun ein Leben lang bereuen würde.
Als der Mann an diesem Morgen dann alleine in der kleinen Caffè-Bar erschien, gab sie sich einen Ruck, drängelte sich durch die Menge neben ihn an die Theke, streckte dem Barista ihren Bon entgegen und tat überrascht, als habe sie den Mann gerade zufällig bemerkt.
»Oh, hallo! … Ich hab Sie gestern vermisst.«
Er sah sie neugierig an. »Ach ja?«
»Im Pantheon, meine ich. Aber ich … will Sie nicht stören.«
»Sie stören mich nicht. Ich hab Sie auch vermisst, aber mein Bruder und ich hatten gestern ein paar Dinge mit den italienischen Behörden zu klären.«
Er sah sie an, als müsse sie wissen, um welche Dinge es ging.
»Aha.«
Er trank seinen Espresso aus und stellte die leere Tasse auf der Edelstahltheke ab. Üblicherweise das deutliche Signal, dass das Gespräch nun beendet sei.
»Was machen Sie da oben im Pantheon?«, fragte er dennoch.
»Ich untersuche die Struktur des Gebäudes«, erwiderte sie, verlegen, dass er sie da oben bemerkt hatte. »Ich bin Architektin und schreibe an einer Doktorarbeit über das Pantheon. Den Beton der Kuppel, die Statik, seine vielen unterschiedlichen Funktionen über die Jahrhunderte hinweg.«
»Was interessiert Sie gerade am Pantheon?«
»Na ja … Es ist immerhin das älteste erhaltene Gebäude der Welt.«
»Sonst nichts?«
Sie zögerte. Fühlte sich unbehaglich, so unvermittelt Auskunft geben zu müssen.
»Das Pantheon hat mich schon immer fasziniert. Seit ich mit vierzehn Jahren mit meiner Mutter zum ersten Mal hier war, hat es mich nicht mehr losgelassen. Es ist, als ob …«
»… es Sie ruft?«
Sie lachte. »Klingt bescheuert, nicht wahr?«
»Überhaupt nicht. Mir geht es genauso. Wollen wir rübergehen?«
»Sind Sie nicht … ich meine, verabredet?«
Er schüttelte den Kopf. »Maya hat heute Ihre allererste Vorlesung. Da hat sie keine Zeit für ihren Vater.«
Seine Tochter!
»Oh! … Ich meine, das ist toll! Was studiert sie denn?«
»Psychologie. Sie drängt mich übrigens seit einer Woche, Sie endlich anzusprechen.«
Obwohl schon November, war die Luft immer noch warm genug, dass sie ihre Jacke in der Hand behalten konnte, als sie die Bar verließen. Der rote Kater saß vor der Bar auf der Straße und maunzte den Mann an. Beleidigt oder eifersüchtig, dachte sie kurz. Als der Mann in die Hocke ging, um den Kater anzulocken, streckte er sich nur einmal gelangweilt und trollte sich.
»Dann helfen Sie also Ihrer Tochter gerade bei der Wohnungssuche?«
»Ehrlich gesagt, habe ich vor, ebenfalls in Rom zu bleiben. Meine Frau ist bei dem Flugzeugabsturz im August ums Leben gekommen. Sie haben vielleicht davon gehört.«
»Das ist ja furchtbar!«, rief sie bestürzt. »Das … tut mir leid.«
Er nickte. »In den letzten Wochen ist sehr viel passiert. Alles hat sich verändert. Meine Frau ist gestorben, meine Tochter war lange verschwunden, mein Bruder hat sein Priesteramt abgelegt, um zu heiraten. Seine Freundin war … sehr krank. Aber nun scheint sich irgendwie doch alles zum Guten zu wenden. Hoffe ich.«
Sie wusste nicht, ob er gerade von sich oder seinem Bruder sprach. Trotz seines Schicksalsschlages verhielt er sich so ungezwungen, als würden sie sich schon lange kennen.
»Ihr Bruder war Priester?«
»Sogar Prälat bei der Glaubenskongregation. Wie finden Sie den neuen Papst?«
»Äh, Franziskus? Ganz okay, glaube ich. Ich bin nicht sehr religiös. Eigentlich gar nicht.«
Er lachte laut auf.
»Finden Sie das etwa komisch?«
»Nein. Ich bin nur überrascht.«
»Aha?«
»Vergessen Sie’s, bitte. Vielleicht erzähle ich es Ihnen irgendwann. Wenn wir uns besser kennen.«
Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Aber sie beschloss in diesem Moment, ebenfalls noch einige Wochen länger in Rom zu bleiben.
Das Pantheon öffnete gerade. Die ersten Reisegruppen strömten in die Rotunde, gruppierten sich in der Mitte unter dem Opaion und machten Fotos.
»Was fasziniert Sie denn so am Pantheon?«, fragte sie geradeheraus.
Er sah sie einen Augenblick an. »Hier drunter schläft das Böse«, sagte er wie selbstverständlich. »Ich bin hier einmal
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