Apocalypsis 3.07 (DEU): Wandlung. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)
unterbewusste Erinnerung an die Mh’u blieb in allen Kulturen in Bildern von durchscheinenden Geistwesen lebendig. Ihr wisst, wovon ich rede. Der Mensch mordete, quälte, gierte, liebte, sorgte, erschuf und vernichtete. So hätte es weitergehen können, für alle Zeiten. Aber das Gefäß war nun geöffnet. Die Infektion war nicht mehr aufzuhalten, der Plan des Bösen hatte sich erfüllt.«
Auch die zweite Zigarette war schon längst im Wüstensand erstickt, wie eine stinkende Saat, die niemals keimen würde. Der alte Mann dachte kurz daran, wie hart das Leben für diese Wüstenmenschen sein musste. Er fragte sich, ob sie überhaupt eine Ahnung hatte, wie glücklich sie in Wirklichkeit waren, weil sie nicht begriffen, dass sie zu einer aussterbenden Art gehörten. Der Junge da, der ahnte es vielleicht, der war nicht blöd. Ein Kopfkind , kein Handkind . Aber viel nützen würde es ihm in der Wüste auch nicht.
»Die ersten starben innerhalb weniger Stunden nach Öffnung des Tesserakts. Sie bemerkten es zunächst an einem seltsamen, ranzig-käsigen Ausfluss auf der ganzen Haut, der an der Luft zu einer wachsigen Schmiere gerann, die schwach wie Baldrian roch. Kurz darauf wurde den meisten übel, und sie fielen in ein Koma, aus dem nur noch die Wenigsten erwachten. Die Infektion schien überall auf der Welt gleichzeitig auszubrechen. Als wäre der Auslöser der rätselhaften Krankheit nicht etwa ein Keim oder ein Virus, das sich erst übertragen müsse, sondern ein Signal , das über die gesamte Welt ausgestrahlt wurde.«
Er räusperte sich und sah den Jungen an, der vor Fragen geradezu platzte. Aber er beherrschte sich jetzt und wartete ungeduldig darauf, dass der Alte weitererzählen würde.
»In den ersten Tagen erwischte es weltweit nur einige Zehntausend. Zu wenig, um eine Panik auszulösen. Erst als die Fälle sich plötzlich rapide häuften, als die Krankheit mit voller Wucht ausbrach, als die Krankenhäuser und Leichenhallen sich füllten, als die ersten Patienten aus dem Koma ›erwachten‹ und die Ärzte panisch Alarm schlugen, reagierten die Behörden. Oder auch nicht, je nach Land und politischer Lage. Aus Nordkorea hörte man während des gesamten Verlaufs der Epidemie kein einziges Wort zu der Krankheit. Das Land schloss nach einigen Tagen einfach seine Grenzen, kappte sämtliche Kommunikationswege nach außen, verschwand aus den Augen der Welt und starb schweigend.
Der Rest der Welt versank im Chaos. Die Regenwälder verfaulten, die großen Savannen verbrannten, die Ernten verdarben, die Ozeane flockten Schleim an der Oberfläche aus. Ganze Tierarten gingen stöhnend oder stumm zugrunde, selbst die Kakerlaken schafften es nicht. Der Mensch rottete den Menschen aus. Das Böse feierte ein Schlachtfest. Nichts, so schien es, konnte den Prozess noch aufhalten.
Nichts, bis auf einen letzten, höchst riskanten Trick der Mh’u. Denn das Gefäß , in dem sie das Böse verschlossen hatten, ließ sich nur von Menschen mit einem bestimmten Genom öffnen. Die Mh’u hätten ein Gefäß schaffen können, das sich niemals öffnen ließ. Hatten sie aber nicht. Denn der Plan war, das Böse nicht bloß für die nächsten paar Millionen Jahre zu ewigem Schlaf zu verdammen. Das war zu riskant, denn bis in so ferne Zukunft reichte selbst die Weitsicht der Mh’u nicht. Sie wussten nicht, ob sie selbst überhaupt solange existieren würden. Sie wussten nicht, ob das Gefäß überhaupt solange dicht bleiben würde. Sie wussten nicht, ob es mit der Zeit nicht andere Wege finden würde. Sie wussten nicht, ob nicht alles ganz anders als geplant kommen würde. Besser also, man schaffte sich den Feind ein für alle Mal vom Hals. Auch wenn man es dazu kurz wecken musste.
Es war ein Risiko. Aber unvermeidbar. Das war der Plan. Und wieder einmal hing alles von einem einzigen Faktor ab.«
Der alte Mann blickte in die Runde.
»Dem Menschen«, flüsterte der Junge. Der Alte nickte ihm zu.
» Einem Menschen. Ihr alle kennt seinen Namen.«
XXXIII
22. Juli 2011, Apostolischer Palast, Vatikanstadt
F ür einen Moment wusste er nicht, was er als Nächstes tun sollte. Einen Moment und dann noch einen. Einen Atemzug und noch einen. Wie früher, wenn seine Deckung nachlässig gewesen war, wenn er plötzlich einen gut platzierten Treffer einstecken und irgendwie zusehen musste, wieder zu Atem zu kommen und auf den Beinen zu bleiben. Um weiter zu kämpfen. Denn nur darum ging es.
Franz Laurenz betrachtete seine Hände, ballte sie
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