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Applaus für eine Leiche

Applaus für eine Leiche

Titel: Applaus für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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der mit dem seltsamen schwarzen Monokel, nicht wahr?“
    „Er braucht es für seine Arbeit“, antwortete der Regisseur. „Sie müssen nicht glauben, Aulagnier habe ein Auge verloren.“
    „Nein, das habe ich auch nicht gedacht. Aber... Also, wenn er Aulagnier heißt, dann ist er nicht der, für den ich ihn gehalten habe. Mein Freund heißt Daumas. Erstaunlich, wie ähnlich Ihr Kameramann ihm sieht! Sie wissen nicht zufällig, wo ich ihn finden kann? Es wäre doch sicher interessant für ihn zu wissen, daß er einen Doppelgänger hat.“
    Heute waren bereits eine ganze Reihe von Sprichwörtern losgelassen worden. Nichts sprach dagegen, die Reihe fortzusetzen. Also: Alle Wege führen nach Rom. Und: Die Säufer beschützt der liebe Gott. Wenn Leute meines Schlages erst einmal beschlossen haben, sich an die Theke zu stellen, ist ihnen kein Umweg zu weit.
    „Er wird im Labor sein“, vermutete der Regisseur, „um das Material zu entwickeln, das wir heute abgedreht haben. Oder er ist in der Kantine. Übrigens, wenn Sie ihn sehen, bestellen Sie ihm doch bitte, er soll so schnell wie möglich zu uns kommen. Wir würden gerne was mit ihm besprechen.“
    Er benutzte mich doch tatsächlich als Laufburschen! Brav ging ich hinaus. Zunächst schlug ich den Weg zur Kantine ein, den ich ja bereits kannte. Dort war der Kameramann jedoch nicht zu sehen. Ich gab mich dem Mädchen hinter der Theke zu erkennen. Offensichtlich gefiel ich ihr nicht besser als mit Gesichtsmaske. Immerhin erklärte sie mir, wie ich zum Labor kam.
    „Wenn Sie Bergsteiger sind, geht’s von ganz allein“, sagte sie. „Es liegt im obersten Stockwerk, unterm Dach. Am besten, Sie nehmen den Lift bis zur sechsten Etage und folgen dann den Pfeilen. Die hat man extra für Däumlinge wie Sie angebracht... Sie gelangen zu einer Eisentür, auf der ein G steht. Das ist der große Aufnahmeraum. Könnte aber auch ,Gefahr’ bedeuten. Passen Sie auf, wenn Sie die Tür öffnen. Wär wirklich zu schade um Sie! Man tritt nämlich sozusagen ins Leere hinaus. Sie werden’s schon merken... Also, Sie stehen dann auf einer Plattform. Der große Aufnahmeraum erstreckt sich über gut zwei Etagen. Dort werden die riesigen Kulissen aufgebaut, die Publikum und Produzenten immer wieder staunen lassen. Das Publikum vor Bewunderung, und die Produzenten wegen der Kosten... Also, von der Plattform…“
    Das Thekenmädchen hatte recht. Es war wirklich halsbrecherisch. Die erwähnte Plattform hinter der Eisentür war winzig klein, ohne Brüstung, hatte dafür aber einen leicht schwingenden Boden. Darunter gähnte die Leere. Über eine kurze Eisentreppe — glücklicherweise mit Geländer — gelangte man zu einem Gang, der zum Labor führte. Jedenfalls entnahm ich das dem Schild an der Wand.
    Gut zwei Etagen tiefer waren Bühnenarbeiter damit beschäftigt, eine richtige kleine Stadt zu errichten. Nicht das kleinste Lädchen durfte fehlen. Man erkannte bereits die Umrisse des öffentlichen Parks mit einem Denkmal in Originalgröße und schmiedeeisernen Gittern. Auf den „Straßen“ wurden gerade hier und da schwere Eisenroste in den frischen Zement gedrückt, um ein holpriges Pflaster vorzutäuschen.
    Saubere Arbeit! Doch ich war nicht hier, um die Männer in den blauen Overalls zu bewundern. Ich wollte eine ebenso saubere Arbeit leisten, dort, wo nicht Schwindel, sondern Erfolg winkte.
    Ich ging den Gang entlang. Ein Teppichboden dämpfte meine Schritte. Auch die Hammerschläge der Bühnenarbeiter drangen nun gedämpft an mein Ohr. Durch ein Fenster erblickte ich eine Landschaft von Dächern — wirklichen Dächern! — , und von ganz unten hörte ich das Rauschen des Straßenverkehrs. Diese entfernten Geräusche störten nicht die Ruhe hier oben,’ im Gegenteil, sie machten sie nur um so spürbarer. Ich hatte das Gefühl, das Dornröschenschloß im schlafenden Wald zu besuchen. Allerdings war ich ein seltsamer Märchenprinz!
    Ich ging an mehreren Türen vorbei. Die mit der Aufschrift „Labor“ stieß ich auf... und stand in einem dunklen und völlig menschenleeren Raum.
    Ein paar Türen weiter hatte ich mehr Glück. Ich hörte drinnen Schritte. Jemand ging nervös auf dem knarrenden Holzfußboden hin und her.
    Ich legte mein Ohr an die Tür, ja, ich versuchte sogar, durchs Schlüsselloch zu sehen, um einen Beweis meiner guten Kinderstube zu erbringen. Solche Praktiken sind kleinen Mädchen strengstens untersagt; doch es gibt Situationen, in denen Indiskretion eine Tugend ist.

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