und der Herr der Loewen
1
»Kadi darf nicht allein dorthin reisen. Auf gar keinen Fall!« sagte Cyrus eindringlich. »Es könnte gefährlich für sie werden, das wissen wir beide!«
Mrs. Pollifax blickte ihren Mann an. Er saß neben ihr auf der Couch und hatte sein linkes, geschientes und in Gips verpacktes Bein auf einem Hocker ausgestreckt. Sie wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. »Cyrus, ich kann dich nicht allein lassen und mit Kadi fliegen.
Du kriegst deinen Gips erst in elf Tagen ab«, erinnerte sie ihn. »Du brauchst Hilfe mit deinen Krücken, du kannst nicht Auto fahren, du kannst dir nichts kochen und auch nicht einkaufen gehen...«
»Sie darf nicht allein dorthin reisen«, wiederholte er entschieden. »Ganz egal, wie die Hilferufe von Ubangiba und dem jungen Sammat gewesen sind.«
Mrs. Pollifax seufzte. »Und, was sollen wir tun? Wir haben das Mädchen schon fast so gut wie adoptiert - oder hat sie uns adoptiert?« Sie lächelte. »Sie verbringt jedes Wochenende mit uns, wenn sie nicht gerade etwas für die Kunstakademie machen muß. Es ist beinahe, als gehörte sie zur Familie. Natürlich fühle ich mich verantwortlich für sie, aber wer könnte sie begleiten? «
»Kadi ist das reinste Quecksilber.« Cyrus schüttelte den Kopf. »Unternehmungslustig.
Neugierig. Wir dürfen nicht zulassen, daß ihr was passiert! Diese drei Männer...« Er beendete den Satz nicht, aber das war auch nicht nötig.
Mrs. Pollifax hatte Kadi Hopkirk vor acht Monaten in einem Schrank kennengelernt - o ja, wirklich, das ist keinesfalls als Metapher zu verstehen.* Danach hatten die beiden eine sehr ungewöhnliche und ereignisreiche Woche miteinander verbracht, mit dem Nachspiel, daß Carstairs von der CIA sie nach Afrika ins Land Ubangiba verfrachtete. Mrs. Pollifax hatte angenommen, ihre Freundschaft würde enden, sobald sie und Kadi sich getrennt hatten, zu ihrer Freude hatte sie da aber erst richtig begonnen.
Sie hatten gewußt, daß Kadi Waise war - und weshalb -, sie waren jedoch nicht auf die Alpträume vorbereitet gewesen, von denen sie so manches Wochenende, das Kadi bei ihnen verbrachte, aus tiefem Schlaf gerissen wurden. Dem Wimmern, mit denen sie gewöhnlich begannen, folgten panische Entsetzensschreie. Kadi hatte nie darüber sprechen wollen oder auch nicht sprechen können, was sie an jenem Tag gesehen hatte, als ihre Eltern während eines Putsches in Ubangiba in ihrer eigenen Missionsstation hingerichtet worden waren.
Doch im Laufe der Monate und wegen dieser unruhigen Nächte war es Mrs. Pollifax und Cyrus allmählich gelungen, Kadi ein paar Einzelheiten zu entlocken. Es waren drei Männer ge wesen, hatte Kadi gesagt, widerstrebend, da die Erinnerung zu qualvoll für sie war. Sie war mit einem Beutel Salz, einer Kostbarkeit, zu Fuß zur Klinik ihres Vaters zurückgekehrt, als sie laute Stimmen und Schüsse gehört hatte und den fassungslosen Aufschrei der Krankenpflegerin des Missionshospitals ihres Vaters. Sie war hinter einigen Büschen am Rand des Klinikkomplexes in Deckung gegangen, um festzustellen, was los war und weshalb Rakia so schrie. »Da waren drei Männer«, hatte Kadi hervorgepreßt.
Cyrus hatte gefragt: »Hat diese Schwester Rakia denn gewußt, wer diese Männer waren?«
Kadi hatte den Kopf geschüttelt. »Sie haben sie überwältigt und ihr die Augen verbunden, bevor - bevor... «
»Haben die drei Männer dich gesehen?« hatte Cyrus gefragt.
Kadi hatte nur die Schultern gezuckt und gestammelt: »Ra-Rakia und Laraba ha-haben mich sofort versteckt und noch ehe es du-dunkel wurde alle Vorbereitungen getroffen, mich außer Landes zu schmuggeln.« Und nun hatte Kadi erklärt, daß sie auf Sammys Hilferuf hin zurückkehren müßte. Im April, bei ihrem kurzen Besuch in Ubangiba mit Carstairs, war sie dort offenbar ganz sicher gewesen. Alte Freunde hatten sie herzlich willkommen geheißen, die Reise war völlig gefahrlos verlaufen.
Da sie nun aber über die Hintergründe informiert waren, hatten sowohl Mrs. Pollifax wie Cyrus sich seither gefragt, ob diese drei Männer die dem Coup folgende brutale Herrschaft von Präsident Simoko überlebt hatten, und, falls ja, was Kadi widerfahren könnte, wenn sie zurückkehrte. Würden sie befürchten, von Kadi erkannt und identifiziert zu werden, und würden sie das Mädchen vorsichtshalber für immer zum Schweigen bringen wollen?
Cyrus unterbrach Mrs. Pollifax' beunruhigte Gedanken mit den Worten: »Mrs. Lupacik!«
So in die Realität zurückgerissen, stammelte
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