Arbeit und Struktur - Der Blog
da wie ein Insekt auf dem Rücken im Schnee, bis es vorbei ist. Austausch von Telefonnummern und ein Berliner, der seinen Hund böser Hund nennt, sehr böser Hund.
15.12. 2012 18:30
Das Verfallsdatum auf dem beim Kaiser’s gekauften Ciabatta zum Aufbacken ist der 17. Februar.
17.12. 2012 18:00
C. angeschrien, weshalb nochmal, weiß nicht, vergessen, wegen nichts. Ich verändere mich. Normal, findet Dr. Vier, Gereiztheit, aber so bin ich nicht, und ich will derselbe sein bis zum Ende. Mit geübter Handbewegung holt der Arzt eine Packung Kleenex von unterm Tisch hinauf.
19.12. 2012 16:53
Dr. Badakhshi hat mit den Neurochirurgen und anderen Hirnleuten nochmal eine Konferenz anberaumt. Avastin, ja, engmaschig kontrollieren, hinten links könnte auch ein viertes Mal operiert werden. Und ein drittes Mal bestrahlt.
Fünfunddreißig :
21.12. 2012 8:51
Trockenes Laub weht auf meiner Terrasse im Kreis, was mich beim Arbeiten immer zum Aufschauen zwingt, weil ich jedesmal denke, es sei die Maus, die sich schon seit zwei Tagen nicht mehr blicken ließ. Terrasse gefegt.
21.12. 2012 22:39
Agota Kristofs Trilogie zum dritten Mal nacheinander in Folge gelesen, das Personal verirrt sich schon in meine Träume. Einer der eineiigen Zwillinge, Klaus, Schriftsteller wie im Buch, steht von Gaffern und Polizisten umringt auf dem Nürnberger Hauptmarkt und hält ein Manuskript mit dem Titel Die glückliche Stadt hoch, dessen sofortige Publikation er verlangt. Es handle von Ungeheuerem, Skandalösem, Verborgenem. Doch niemand, scheint ihm, nimmt ihn ernst; man behandele ihn wie einen Wahnsinnigen. Ein Polizist sagt: Warum bringen Sie es nicht zur Zeitung, um es dort veröffentlichen zu lassen?
Klaus betritt ein Gebäude, dessen Flure und Räume an einen vor Jahrzehnten stillgelegten Bürokomplex der Deutschen Post erinnern, und gibt sein Manuskript zusammen mit einem kleinen Zettel an der zuständigen Stelle ab. Beim Verlassen der Redaktion bemerkt er, daß alle ihm mitleidig nachschauen. Er kehrt um. Ein junger Mann erklärt: Sie kommen jedes Jahr einmal mit Ihren Dokumenten hierher und geben sie zusammen mit einem Zettel ab, auf dem steht: “Bitte nehmen Sie mein Manuskript entgegen, tun Sie so, als ob Sie es drucken, und lassen Sie mich niemals wissen, was auf diesem Zettel steht.”
Das große Heft.
Der Beweis.
Die dritte Lüge.
Die Geschichte des Zwanzigsten Jahrhunderts in einer Nußschale, die die Dimensionen eines Riesentankers hat, ungeheuer, wahnsinnig, maximal kaputt.
24.12. 2012 22:16
Spaziergang allein am Kanal, Invalidenfriedhof, Charité-Mitte, Torstraße, die alte Wohnung, uninteressant, Kastanienallee komplett ausgestorben, keine Säufer, keine Familie, zwei Weihnachtsmänner, eine Currywurst, mit dem Taxi zurück, Klassikradio, speech arrest, todmüde.
25.12. 2012 2:32
Nächtlicher Anruf, niemand dran, dann Kopfschmerzen, die auch mit Ibuprofen nicht verschwinden, Stunden wach, Möglichkeiten durchgespielt, alles ordnen, raus hier. Erstmals eine Nacht, die schlimmer ist als ein Morgen.
28.12. 2012 18:22
Erneuter Antrag auf Avastin erneut abgelehnt mit exakt demselben Textbaustein, ein positiver Einfluß von Avastin bei rezidividierendem Glioblastom sei nicht ersichtlich. Daß mit der PCV-Therapie auch die letzte Möglichkeit ausgeschöpft wurde, interessiert den Medizinischen Dienst der Krankenkassen einen Scheiß. Genausowenig die erfolgreiche Phase-III-Studie aus den USA. Bleibt nur Klagen, dauert Monate oder Jahre – und dann? Wird der positive Bescheid vom Sozialrichter persönlich Wort für Wort in den Schnee über mein Grab gepinkelt?
3.1. 2013 9:48
Zwei Stunden lang läuft das Avastin in mich rein, eine glasklare Flüssigkeit, Patient zahlt. Zwei Zyklen, ein Monat, kosten 7000 Euro. Davon habe ich früher ein Jahr gelebt.
6.1. 2013 12:22
Inschrift auf dem Grab Duchamps: D’ailleurs c’est toujours les autres qui meurent.
10.1. 2013 4:00
Die irre Stalkerin wieder. Diesmal: Was ist Ihre Lieblingsfarbe? Rest der Nacht ohne Schlaf, das Festnetz endgültig unbenutzbar. Bisher immer noch rangegangen, weil C.s Vater weiter im Sterben liegt. Bestimmt vor zehn Jahren schon die Telekom gebeten, die Nummer zu streichen. Wenn ich auf Arztanrufe warte oder gerade mit C. gesprochen habe, vergesse ich oft hinterher, den Stecker zu ziehen.
Außer Stalkern und Irren auch noch eine wachsende Gruppe von Hilfesuchenden, die sich in der Regel brieflich meldet. Aber nicht
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