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Arcanum – Das Geheimnis

Arcanum – Das Geheimnis

Titel: Arcanum – Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Geist
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Kruzifix in der Mitte aufgefallen. Nun zeigte sich, dass der leidende Christus tatsächlich einen indianischen Federschmuck und indianische Kleidung trug.
    Was konnte das bedeuten? Ihm kamen erneut Zweifel über das Alter des Kunstwerkes. Vielleicht war es ein zeitgenössisches Stück, auf dem ein Indiovolk Mittelamerikas eine typische Mischung alter und neuer Symbole seiner Geschichte angebracht hatte, ein wertvolles Kunstwerk für betuchte Touristen.
    Die Striche und Punkte entsprachen eindeutig Zahlensymbolen der Maya, während das Kruzifix über die spanischen Konquistadoren erst im sechzehnten Jahrhundert nach Mesoamerika gelangte, um die armen Heiden in zwei Gruppen zu teilen:
    Die der getauften Heiden einerseits und die der toten Unbelehrbaren auf der anderen Seite.
    Christophers Zynismus über die Ausbreitung des christlichen Glaubens seit dem Aufbruch seiner ersten Anhänger aus den römischen Katakomben war unter seinen Freunden legendär.
    Diese kleine Gruppe verfolgter Idealisten hätte es eigentlich besser wissen müssen. Nachdem Kaiser Konstantin 313 die Freiheit der Religionsausübung garantiert hatte, wurde aus der Gemeinde des friedfertigen Nazareners allmählich ein mächtiger Apparat, der allen, die von nun an mit der Freiheit der Religion argumentierten, einen irdischen Vorgeschmack auf die Qualen der Hölle gab.
    Das hatten die Azteken, Tolteken, Maya und wie sie alle hießen zu spüren bekommen, wenn sie nicht schon durch die eingeschleppten Masern bis an die Grenze der Ausrottung dezimiert worden waren. Christopher erkannte allerdings an, dass sich die christlichen Kirchen dem angerichteten Schaden stellten.
    Die Missionsorden lernten, die Eigenständigkeit der indianischen Kultur anzuerkennen. Katholische Frömmigkeit mischte sich so mit alten Bräuchen und Symbolen, die ihr einen eigenen Charakter verliehen.
    Dennoch hätte er schwören können, dass die goldene Scheibe aus vorspanischer Zeit stammte. Merkwürdig waren auch die stilisierten Rosenblüten in den vier Feldern des Kreuzes. Über dem Kreuzungspunkt der beiden Balken war ein klarer Stein eingearbeitet. Christopher zog die beleuchtete Lupe zu sich heran. Bei vierfacher Vergrößerung erkannte er etwas, das durch den Stein hindurchschimmerte. Es sah aus wie ein Holzsplitter.
    Er fuhr verblüfft hoch, sodass er an die Arbeitsplatzleuchte stieß, die gefährlich schwankte.
    „Eine Art Reliquiar mit Kreuzessplitter?“, fuhr es ihm durch den Kopf.
    Das Kreuz Jesu war seit seiner vermeintlichen Auffindung im Jahre 325 durch Helena, Konstantins Mutter, eines der umstrittensten Artefakte der Archäologie. Spätestens seit seinem Verschwinden nach der Schlacht von Hattin im Jahre 1187 war es zum Mythos geworden. Die vielen Kreuzessplitter, die sieben Jahre später nach dem vierten Kreuzzug Europa überschwemmten, waren meist ebenso authentisch wie die Windel Jesu im Dom zu Aachen und erklärten nicht den Verbleib des einen, zusammenhängenden Stückes, das Saladin erbeutet und versteckt hatte.
    Christopher entfernte vorsichtig den Stein aus seiner Fassung und nahm das kleine Stück Holz mit einer Pinzette auf. Er drehte es in alle Richtungen. Dann wusste er, wem er es schicken würde. Sein Freund aus Studienzeiten, Herbert Mendelsohn, hatte mit ihm die Vorlesungen in Ägyptologie besucht. Ihre Wege trennten sich nach Christophers Staatsexamen in der Zahnmedizin und später erfuhr er, dass Herbert inzwischen den Lehrstuhl für Archäologie in Tübingen innehatte.
    Sie hatten wieder Kontakt aufgenommen, und daraus entwickelte sich eine Freundschaft fürs Leben. Christopher hatte versucht Herbert, der ein einsamer und verschrobener Single geblieben war, an seinem Familienglück teilhaben zu lassen, indem er ihn unregelmäßig einlud und ihn zum Taufpaten seiner jüngsten Tochter gemacht hatte.
    Jetzt würde er seine Hilfe brauchen. Zur genauen Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Scheibe im Boden des Schwarzwalds verschwunden war, kratzte er etwas von der Erde ab, die ihr auf der noch ungereinigten Rückseite anhaftete. Ein Stück Lehm von der Größe einer Euromünze fiel ihm besonders auf. Es waren die kleinen, schwarzen Einschlüsse, die er sich näher unter der Lupe ansah.
    Er pfiff durch die Zähne:
    Verkohlte Holzstückchen, wie sie nach einem Waldbrand im Boden eingelagert wurden. Er zog einen schwarzen Splitter heraus und verpackte ihn in einem sterilen Tütchen, das er entsprechend beschriftete. Mit der C14 Methode konnte man jetzt

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