Archer Jeffrey
Express meiner Frau doch noch so etwas wie Erleichterung.
»Laut Informationen, die uns zu dem Carla-Moorland›Liebesstreit‹-Fall vorliegen, unterstützt ein Mann die Polizei bei ihren Ermittlungen.« Die abgedroschenen Phrasen, die ich schon oft in der Vergangenheit gelesen hatte, bekamen plötzlich eine neue, reale Bedeutung.
Ich durchstöberte die anderen Sonntagszeitungen, hörte jede Nachrichtensendung im Radio und sah mir jedes Nachrichtenprogramm im Fernsehen an. Als meine Frau neugierig wurde, erklärte ich, im Büro gehe das Gerücht um, die Firma sei in Gefahr, ein zweites Mal übernommen zu werden, was bedeuten könnte, daß ich meinen Job verlöre.
Bis Montag morgen hatte der Daily Express den Mann in dem »Mord nach Liebesstreit«-Fall als Paul Menzies, (51), Versicherungsmakler aus Sutton, identifiziert. Seine Frau wurde in einem Krankenhaus in Epsom mit Beruhigungsmitteln behandelt, während er selbst in einer Zelle im Brixton Prison unter Arrest gehalten wurde. Ich fragte mich, ob Mr. Menzies Carla die Wahrheit über seine Frau gesagt hatte und welchen Kosenamen sie ihm wohl gegeben hatte.
Später am Morgen wurde Menzies vor die Richtern beim Gerichtshof in der Horseferry Road geführt und des Mordes an Carla Moorland angeklagt. Die Polizei hatte mit Erfolg gegen eine Haftkaution Einspruch erhoben, lautete die für mich beruhigende Mitteilung des Standard.
Wie ich feststellen sollte, dauert es sechs Monate, bis ein Fall von dieser Schwere in Old Bailey zur Verhandlung kommt. Paul Menzies verbrachte diese Monate in Untersuchungshaft im Brixton Prison. Ich durchlebte dieselben sechs Monate in der Angst vor jedem Telefonanruf, jedem Klopfen an der Tür, jedem unerwarteten Besucher. Und alle diese Ereignisse riefen ihren eigenen Alptraum hervor. Unschuldige Leute haben keine Ahnung, wie oft sich solches jeden Tag ereignet. Ich verrichtete meine Arbeit, so gut ich konnte, und fragte mich oft, ob Menzies wohl von meiner Beziehung zu Carla wisse, ob er meinen Namen kenne oder überhaupt eine Ahnung von meiner Existenz habe.
Es muß ein paar Monate vor dem anberaumten Prozeßtermin gewesen sein, als die Firma ihre Jahreshauptversammlung abhielt. Meinerseits war ein beachtliches Maß an phantasievoller Buchhaltung nötig gewesen, um Zahlenmaterial vorzulegen, das bewies, daß wir überhaupt Gewinne erzielten. In dem Jahr haben wir unseren Aktionären ganz gewiß keine Dividende gezahlt.
Ich kam aus der Sitzung mit einem Gefühl der Erleichterung, ja fast der freudigen Erregung. Sechs Monate waren seit Carlas Tod vergangen, und es hatte in diesem Zeitraum nicht ein einziges Vorkommnis gegeben, wodurch irgend jemand hätte vermuten können, daß ich sie überhaupt gekannt habe, geschweige denn die Ursache für ihren Tod gewesen sei. Ich fühlte mich oft schuldig wegen Carla, ich vermißte sie sogar, aber nach sechs Monaten war ich in der Lage, einen ganzen Tag ohne Angstgefühle zu verbringen. Seltsamerweise fühlte ich keinerlei Schuld an Menzies’ verzweifelter Situation. Schließlich war er das Instrument, mit dessen Hilfe ich mir ein Leben im Gefängnis ersparen würde. Als das Schicksal dann zuschlug, hatte es daher auf mich eine doppelt niederschmetternde Wirkung.
Es war am 26. August – ich werde den Tag nie vergessen –, als ich einen Brief erhielt, dessen Inhalt mir klarmachte, daß ich möglicherweise gezwungen sein würde, jedes Wort des Verfahrens mitzuverfolgen. Wie sehr ich mir auch einzureden versuchte, es gäbe Gründe, es mir zu ersparen, wußte ich doch, ich würde es durchstehen müssen.
Am demselben Morgen, einem Freitag – wahrscheinlich passieren diese Dinge immer an einem Freitag –, wurde ich – wie ich annahm, zu einem jener wöchentlichen Routinetermine
– zum geschäftsführenden Direktor gerufen, um dann lediglich davon in Kenntnis gesetzt zu werden, daß man mich nicht länger benötige.
»Offen gesagt, während der letzten paar Monate hat sich Ihre Arbeit nur noch verschlechtert«, wurde mir mitgeteilt.
Ich fühlte mich außerstande, etwas zu meiner Verteidigung vorzubringen.
»Und Sie haben mir keine andere Wahl gelassen, als Sie durch eine andere Kraft zu ersetzen.«
Eine höfliche Art zu sagen: Sie sind gefeuert.
»Bis heute nachmittag um fünf hat Ihr Schreibtisch geräumt zu sein«, fuhr der Direktor fort, »und dann erhalten Sie von der Rechnungsabteilung einen Scheck über 17.500 Pfund.«
Ich runzelte die Stirn.
»Die Abfindung für sechs Monate, wie in Ihrem
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