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Schiwas feuriger Atem

Schiwas feuriger Atem

Titel: Schiwas feuriger Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , William Rotsler
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Millionen Jahre lang, seit der Entstehung des Sonnensystems, war er durch lautlose Leere geflogen, ein grauschwarzer Klumpen, etwas seitlich von dem gedrängten Schwarm und ihm ein gutes Stück voraus, als Vorhut dessen, was noch kommen würde. Die unregelmäßige Masse von Stein und Eisen trat irgendwo über dem östlichen Iran in die äußere Atmosphäre ein, heizte sich rasch auf, erglühte – ein flammender Strich über dem stillen Sommerabend.
    Er hatte noch Begleiter – Partikel, Splitter, die in langen feurigen Spuren rasch aufleuchteten, verbrannten oder, von dem dicken Luftpolster abgelenkt, in den Raum zurückwirbelten und dort neue Pfade einschlugen. Doch der Große glühte weiter, flog tiefer und tiefer in abwärts weisendem Winkel.
    Die Luft bremste ihn ab, doch war die Geschwindigkeit noch ungeheuerlich, mit der er bei Biskra, nahe der tunesischen Grenze, aufschlug. In Sekundenbruchteilen löschte der Meteor die wimmelnde Araberstadt aus. Wo eben noch sechsundvierzigtausend Menschen gelebt hatten, war nur noch Qualm, ein dampfender Krater, dessen Boden ein blasig kochender Pfuhl aus lavagewordenem Sand und Stein war. Und Tod. In den Vorstädten lagen längs der Straßen und Wege strickartig zusammengedrehte Leichen: Menschen, Tiere, Kinder. Alle Gebäude waren niedergewalzt, Sanddünen waren zu geschmolzenem Glas verglüht oder weggeblasen bis auf den nackten Felsboden. Ziegel, Fleisch, Maschinen, Puppen, die Moschee, die Tiere, alles – zerschmolzen, verdampft, verbrannt.
    Der ungeheure gelbrote Feuerball, die Totenglocke Biskras, wurde von einer Ernte-Analytikerin in der Raumstation III gesichtet. Sie starrte, blinzelte, griff dann nach dem Alarm-Mikrophon. Der größte Meteor der Neuzeit hatte die Erde getroffen.
     
    Von Natur aus war Zakir Shastri ruhig, sogar phlegmatisch, wie es sich für einen Astronomen gehört, dessen wichtigste Eigenschaft die Geduld ist. Doch jetzt biß er sich nervös auf die volle Unterlippe, die dunklen Augen starr auf die Wörter und Ziffern gerichtet, die in leuchtenden Zeilen auf dem vor ihm stehenden Bildschirm erschienen. Tief zog er den Atem ein, stieß ihn mit einem Seufzer wieder aus und wandte den Blick von den phosphoreszierenden Zeichen ab, durch das seitliche Bullauge nach draußen. Die Erde kam ins Blickfeld. Auf ihrer mit Lichtpunkten gesprenkelten Nachtseite erschien plötzlich, wie ein Kratzer, ein langer gelbroter Strich und erlosch wieder. Kurz darauf kam noch einer. Dann zwei schwächere. Er seufzte verzweifelt auf, schloß die Augen, um es nicht sehen zu müssen und kaute wieder nervös an der Unterlippe.
    Der indische Astronom saß angeschnallt in einem Sessel, der auf der Plattform festgeschraubt war, am Suchokular des Hauptteleskops, von wo er jeden gewünschten Punkt präzis einstellen konnte. Das war die Stelle des ganzen Orbitalen Observatoriums, wo er sich am friedvollsten fühlte. Es war hier nicht viel anders als in der berühmten Kabine von Palomar, wo Generationen von Astronomen jahrelang in der beißenden Kälte der kalifornischen Berge gearbeitet hatten. Jetzt war Palomar durch die Luftverschmutzung und die Milliarden Lichter der im Tal liegenden Riesenstadt für gewisse Beobachtungen, speziell für die Aufnahme der Spektren verschwommener Objekte, nicht mehr zuverlässig genug. Und natürlich war Palomar das klassische Beispiel für die von der Natur begrenzten Möglichkeiten aller Boden-Observatorien: ihnen mangelte die Präzision im Detail. Die Besucher Palomars und anderer großer Observatorien dachten immer, von dort sähe man mehr Einzelheiten. Aber Palomar konnte auch nicht besser »sehen« als ein 20-cm-Balkonteleskop. Die unruhige Luft über jedem Teleskop verzerrt die einkommenden Lichtwellen und radiert jedes Detail aus, das kleiner ist als eine halbe Bogensekunde. Teleskope von über 20 cm Durchmesser sind bloß Eimer, die mehr Licht schöpfen; mehr Details als ihre kleineren Brüder können sie auch nicht ausmachen. Nur dadurch, daß sie ihre Teleskope in den Orbit setzen, können sie Astronomen besser sehen. Somit repräsentierte Shastris 80-cm-Tubus eine neue Dimension der Weltraum-Ausspähung. Ohne den verschleiernden Luftvorhang konnte dieses Teleskop feinste Charakteristika im potischen, ultravioletten und infraroten Bereich erkennen. Es würde im Lauf der Zeit das Universum auf eine Art offenlegen, die sich der große Hubble nicht einmal hatte erträumen können.
    Der schmächtige Astronom beugte sich über das

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