Archer Jeffrey
Vertrag vereinbart, als wir die Firma übernahmen.«
Als der Direktor die Hand ausstreckte, tat er es nicht, um mir viel Glück zu wünschen, sondern weil er die Schlüssel zu meinem Rover zurückhaben wollte.
Ich erinnere mich an meinen ersten Gedanken, nachdem er mir seine Entscheidung mitgeteilt hatte: Wenigstens bin ich jetzt in der Lage, jeden Tag dem Gerichtsverfahren beizuwohnen.
Meine Frau nahm meine Entlassung schlecht auf, fragte aber nur, was ich unternehmen werde, um einen neuen Job zu finden. Während des nächsten Monats tat ich so, als suchte ich nach einer Anstellung bei einer anderen Firma, merkte aber, daß keine Aussicht bestand, mich irgendeiner Angelegenheit in Ruhe widmen zu können, bevor der Prozeß vorüber war.
Am Morgen der Gerichtsverhandlung brachten alle Zeitungen farbige Hintergrundberichte. Der Daily Express hatte auf seiner Titelseite sogar ein schmeichelhaftes Foto von Carla im Badeanzug am Strand von Marbella. Ich fragte mich, wieviel man ihrer Schwester in Fulham für dieses seltene Stück wohl gezahlt hatte. Direkt daneben war ein Foto von Paul Menzies im Profil, das ihn schon jetzt wie einen Sträfling aussehen ließ. Ohne jeden erläuternden Text, überließen sie es ihren Lesern, selbst herauszufinden, bei wem ihrer Ansicht nach die Schuld lag.
Ich war unter den ersten, denen man sagte, in welchem Gerichtssaal des Old Bailey der Fall »Die Krone gegen Menzies« verhandelt werden sollte. Ein uniformierter Polizist erklärte mir ausführlich den Weg, und zusammen mit etlichen anderen Leuten machte ich mich auf zu Saal Nr. 4.
Beim Gerichtssaal angekommen, marschierte ich in der Reihe hinein und sicherte mir einen Platz am Ende der Bank. Ich blickte um mich und dachte, jeder müsse mich anstarren, aber zu meiner Erleichterung zeigte niemand das geringste Interesse an mir.
Ich konnte den Beschuldigten, der auf der Anklagebank saß, gut sehen. Er war ein kränklich wirkender Mann; einundfünfzig Jahre alt, hatten die Zeitungen geschrieben, aber er sah eher aus wie siebzig. Wie sehr mochte ich wohl selber während der letzten paar Monate gealtert sein, fragte ich mich.
Menzies trug einen eleganten dunkelblauen Anzug, der lose an seinem Körper hing, ein sauberes Hemd und, wie ich zu erkennen glaubte, eine Krawatte in den Farben seines Regiments. Sein ergrauendes Haar wurde schon dünn und war streng nach hinten gekämmt; ein silbriger Schnurrbart verlieh ihm ein militärisches Aussehen. Er sah gewiß nicht wie ein Mörder aus, auch nicht wie der ideale Liebhaber, aber wer mich ansah, kam bestimmt zu genau demselben Schluß. In einem Meer von Gesichtern suchte ich nach Mrs. Menzies, aber auf niemanden im Gerichtssaal paßte ihre Beschreibung in den Zeitungen.
Wir erhoben uns alle, als Richter Buchanan den Saal betrat. »Die Krone gegen Menzies«, las der Protokollführer laut vor.
Der Richter beugte sich vor, bedeutete Menzies, er könne sich setzen, und wandte sich dann langsam der Geschworenenbank zu.
Obwohl das Interesse der Presse an diesem Fall erheblich gewesen sei, erläuterte er, komme es allein auf ihre Meinung an, da nur von ihnen eine Entscheidung darüber erwartet werde, ob der Angeklagte schuldig oder nicht schuldig sei. Auch riet er den Geschworenen eindringlich, keine Zeitungsartikel, die den Prozeß beträfen, zu lesen und sich auch nicht die Ansichten anderer anzuhören, besonders nicht solcher, die der Verhandlung nicht beigewohnt hatten: Diese seien, sagte er, immer die ersten, die eine unverrückbare Meinung darüber hätten, wie das Urteil auszufallen habe. Er führte weiter aus, wie wichtig es sei, sich nur auf das Beweismaterial zu konzentrieren, denn das Schicksal eines Mannes stehe auf dem Spiel. Ich ertappte mich dabei, wie ich zustimmend mit dem Kopf nickte.
Ich ließ meinen Blick flüchtig durch den Gerichtssaal schweifen und hoffte, daß dort niemand säße, der mich erkannte. Menzies’ Augen waren starr auf den Richter geheftet, der sich jetzt dem Anklagevertreter zuwandte.
Sobald Sir Humphrey Mountcliff sich von seinem Platz erhob, war ich dankbar, daß er gegen Menzies antrat und nicht gegen mich. Ein Mann von imponierender Körpergröße, mit hoher Stirn und silbergrauem Haar, beherrschte er den Gerichtssaal nicht allein durch seine physische Präsenz, sondern auch durch seine Stimme, die um nichts weniger gebieterisch war.
Vor dem stumm dasitzenden Publikum legte er für den Rest des Morgens den Standpunkt der Anklage dar. Sein Blick wich selten von
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