Argemí, Raúl
als sie zum Farmhaus hinaufgegangen waren, denn sie hatten die Hände erhoben und rannten mit verzweifeltem Gesichtsausdruck auf sie zu. Kurz darauf wateten sie ohne jede Vorsicht durch den Fluss auf ihre Seite.
»Hier muss etwas Schreckliches passiert sein«, sagte das Mädchen.
»Lass mich reden.«
Die Frauen umringten sie und flehten kreischend um Hilfe.
»Halten Sie ihn auf, Pater! Halten Sie Prudencio auf, er ist völlig wahnsinnig geworden!«
»Sie können es, sprechen Sie mit ihm! Beeilen Sie sich, Pater, er hat bereits Luisa und David umgebracht!«
Cacho wusste nicht, von wem sie sprachen, aber er begriff augenblicklich, dass Márquez oben auf dem Hügel Menschen opferte, dort, wo die Araukarien standen.
Er rannte in die angewiesene Richtung und wünschte sich lediglich, dass die Frauen übertrieben. Das Letzte, was er in Quebrada Luán brauchen konnte, war ein Mord und die Polizei, die ihre Nase hineinsteckte.
Er war schon halb den Hügel hinaufgelaufen, als er sich fragte, wo Elisea war. Er sah sie unten stehen, umringt von der Gruppe Frauen, die sich die Haare rauften. Die weinenden Stimmen drangen wie ein unverständliches, bedrohliches Geheul bis zu ihm.
Keuchend überquerte er einen Flecken Weideland und sah auf einmal Márquez, der mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern neben ein paar Steinen kniete. Ein unförmiger, dunkler Haufen lag neben ihm, und ein halbes Dutzend Flaschen war ringsum aufgestellt und schimmerte in der Sonne.
Ohne zu wissen, was ihn erwartete, näherte er sich langsam, und sogleich vernahm er ein häs sliches, dunkles Geräusch, ein Knacken. Prudencio Márquez schluchzte mit offenem Mund. Und das Geräusch kam aus seinem tiefsten Inneren.
Wahrscheinlich war er gegen einen Stein gestoßen, denn der Laienprediger wandte sich zu ihm um und sah ihn mit hervorquellenden Augen an; mit einem Blick, in dem sich das größte Unglück und die tiefste Verlassenheit zeigten, die ein Mensch zu ertragen imstande war.
Márquez, der auf dem Boden kniete, erkannte ihn fast augenblicklich und warf sich zu ihm herum.
»Ich bin von Gott verdammt, Bruder Ernesto«, verkündete der Landsmann im Brustton der Überzeugung.
Cacho versuchte, sich an irgendeine Bibelstelle zu erinnern, die der Situation angemessen wäre, doch bei dem Anblick konnte er keinen klaren Gedanken fassen.
Auf dem Boden lag eine Frau, deren Kopf durch zahlreiche Messerschnitte beinahe vom Körper abgetrennt war.
Auf ihrer verblichenen Kittelschürze glänzten frische Blutflecken.
Wenige Schritte entfernt lag bäuchlings auf einer Wurzel der Araukarie der Leichnam eines Säuglings, dem die Kehle wie bei einem Lamm durchgeschnitten worden war und der das letzte Blut verlor. Daneben brannten ein paar Talgkerzen, und der Geruch nach Schnaps aus dem Kreis der offenen Flaschen mischte sich mit dem des Blutes.
»Was haben Sie getan, Márquez? Wie konnten Sie nur?«
»Gott hat mir ein Zeichen geschickt, Bruder Ernesto. Gott hat mir das Zeichen geschickt; und dann hat Gott sich nicht daran gehalten.«
»Was …«, stammelte Cacho, »was redest du da für einen Unsinn, du Wahnsinniger?«
»Abraham, Bruder … Gott sagte zu ihm: ›Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, geh in das Land Morija und bring ihn dort auf einem der Berge, den ich dir nenne, als Brandopfer dar.‹ Das stand auf den Seiten, die der Herr vor dem Feuer bewahrt hat, Bruder. Halleluja! Es war das Zeichen … Der Herr hat es befohlen, damit wir gesegnet seien! ›Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, geh in das Land Morija und bring ihn dort auf einem der Berge, den ich dir nenne, als Brandopfer dar.‹«
Mühsam richtete sich der Laienprediger auf, Gesicht und Bewegungen von der Tragödie gezeichnet. Cacho trat einen Schritt zurück, bis er sicher sein konnte, dass er unbewaffnet war; das Schäfermesser lag zwischen den Füßen der Frau, doch konnte er Márquez nicht daran hindern, ihn am Arm zu packen und in den Kreis aus Flaschen, Kerzen und Schnaps zu zerren.
»Ich habe Gott vertraut, Bruder Ernesto! Ich habe an ihn geglaubt, verflucht! Und ich habe meine Leute gezwungen, hier heraufzukommen, weil er mir sagen würde, sagen müsste, was zu tun sei. Doch er hat mir befohlen, meinen Sohn zu töten, Bruder. Er hat keinen Einspruch erhoben, weil ich verflucht bin …«
»Was hast du denn erwartet, Márquez?«, stammelte Cacho.
»Er hätte mir sagen müssen: Schneide deinem Sohn nicht die Kehle durch,
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