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Argemí, Raúl

Argemí, Raúl

Titel: Argemí, Raúl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chamäleon Cacho
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räusperte sich noch einmal, und wie in einem Thriller packte seine Hand den Wandschirm und schob ihn langsam beiseite. Ich spürte, wie mir das Herz stehen blieb, weil ich ihn einen Moment lang vor mir sah, wie er seiner Agonie entflohen war, um mir an die Gurgel zu gehen und somit sämtliche Informationen aus meinen Interviews zu sichern. Da bewegten sich meine Hände ebenfalls und schnellten in einem verzweifelten und kindlichen Versuch nach oben, um mir das Laken über das Gesicht zu ziehen.
    Es war nicht das Chamäleon.
    Auf der Bettkante saß, die eine Hand am Wandschirm, die andere in der Hosentasche, Federico. Der lächelnde Federico. Und das Bett war leer.
    Er hatte einen merkwürdigen Blick, distanziert und verschleiert wie der eines Pokerspielers, der kurz davor ist, den Stich seines Lebens zu machen.
    Er schob den Wandschirm in eine Zimmerecke und setzte sich wieder auf die Bettkante.
    »Also gut«, sagte er, »wo fangen wir an?«
    Darüber musste ich nicht nachdenken; dort war die Informationsquelle, die mir fehlte.
    »Wo haben sie ihn hingebracht?«
    »Wo bringt man Tote wohl hin? Die ruhen sich im Leichenschauhaus aus. Wenn nicht irgendein Schlaumeier daherkommt und sie ins Meer wirft.«
    »Verstehe … Es war ein langer Todeskampf.«
    »Meinst du?«
    Es gefiel mir nicht, dass er mich duzte, ich hatte ihm keinen Anlass für Vertraulichkeiten gegeben. Aber es war nicht das erste Mal, dass ich mit einem Polizisten zu tun hatte; sie bringen den anderen stets in eine schwächere Position.
    »Zwei Tage sind keine Ewigkeit«, sagte er mit einem sarkastischen Blitzen in den Augen.
    »Was soll der Scheiß, ich weiß, wie lange …«
    »Du bist ein paar Stunden nach Márquez eingetroffen. Sie haben sich Zeit gelassen, ihn heimzuholen. Und er ist gestern gestorben.«
    Für einen Augenblick brachte er mich aus der Fassung, aber ich war nicht gewillt, mich wegen Banalitäten zu streiten.
    »Haben Sie eine Liste derer, die bei dem Mädchen waren, das sie an der Grenze festgenommen haben?«
    »Wenn du mir sagst, wofür du sie brauchst …«
    »Ich will ganz offen sein: Ich suche jemanden. Es ist das Einzige, was mir fehlt, um den Artikel meines Lebens zu schreiben. Spucken Sie mir jetzt nicht in die Suppe.«
    »Der Artikel …«, sagte er und zog die Hand aus der Tasche, um sich den Nasenrücken zu reiben, »klar, wenn jemand Journalist ist … Manuel, nicht wahr?«
    »Manuel Carraspique.«
    »Zum Teufel, Mann; du bist wirklich verrückt.«
    »Denken Sie, was Sie wollen, aber ich werde meinen Artikel schreiben, und ich muss wissen, ob es eine Liste gibt.«
    »Ja, natürlich gibt es eine Liste. Bin ich jetzt vielleicht dran?«
    »Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann los. Ich kann Ihnen allerdings nicht garantieren, dass Sie gut dabei wegkommen. Aber irgendwie werden wir uns schon einigen.«
    »Einigen …«, murmelte er und starrte auf seine erdverkrusteten Schuhe.
    Er warf einen Blick zur Seite, stand vom Bett auf und ging hin und her. Es war klar, dass er eine wichtige Information besaß und nun abwog, wie er sie am besten verkaufen konnte.
    »In den Kriminalromanen, die mir als kleiner Junge gefielen«, begann er und wippte, die unruhigen Hände in den Hosentaschen, auf den Absätzen hin und her, »versammelte der Detektiv am Ende alle im Wohnzimmer und deckte mit messerscharfer Intelligenz, die einem den Atem stocken ließ, das Geheimnis auf. Das ist mir noch nie passiert und wird mir auch nie passieren.«
    Er hüllte sich eine Zeit lang in Schweigen, ein Schweigen, das einen zwang zu reden; doch ich war gewillt, ihm zuzuhören, und hielt sogar den Atem an.
    »Ach, zum Teufel. Nach allem, was passiert ist; wen kümmert es da, ob man rauchen darf oder nicht. Wenn es dir schadet, umso besser …«, murmelte er und zog aus den Tiefen seines Jacketts eine Schachtel Zigaretten. Nachdem er eine angezündet und die ersten Züge genommen hatte, schien er sich zu beruhigen und schaute mir direkt ins Gesicht; zum ersten Mal seit geraumer Zeit.
    »Ja, das Leben und Agatha Christie haben nichts miteinander zu tun. Ich bin mit allen möglichen Flausen im Kopf Polizist geworden und habe schließlich gelernt, dass es das Klügste ist, einen Typen auf den Grill zu legen und ihn so lange schmoren zu lassen, bis er alles ausspuckt.«
    Er rauchte gierig und wippte auf der Stelle. Fettig glänzender Schweiß war zwischen den wenigen Haaren auf seinem Kopf zu sehen.
    »Na klar, wenn jemand meint, etwas zu wissen, kommt immer

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