Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Vorderbein.« Er winkelte es an, bis die Kette zwischen dem Eisenring an seiner Pfote und der Wandhalterung straff gespannt war. Sie fühlte seine riesige Pranke und die Spitzen seiner eingefahrenen Krallen, zählte vier Kettenglieder ab – hoffentlich weit genug, um ihn nicht zu verletzen. Dort richtete sie die Mündung des Revolvers auf das Metall und atmete angespannt durch.
»Fertig?«
Er knurrte.
»Dann los.« Sie drückte ab. Der Rückstoß war brutal. Ein Bersten und Pfeifen verriet, dass das Projektil etwas zerschlug und als Querschläger durch die Dunkelheit sauste.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie hastig.
Er scharrte mit dem Bein und da begriff sie, dass es frei war. Es funktionierte! Wenn keiner der Querschläger sie erwischte, konnte sie ihn tatsächlich befreien.
Im Erdgeschoss brüllte jemand, ein anderer antwortete. Eine Maschinenpistole ratterte. Wieder splitterte Glas.
»Schneller«, presste sie hervor.
Bald war sein zweites Vorderbein befreit, dann der erste Hinterlauf. Er versuchte aufzustehen, aber sie legte rasch ihre kalte Hand in seine Seite und gab ihm zu verstehen, dass er Geduld haben musste. Nur noch die letzte Fessel. Und ihre letzte Kugel.
Der Schuss sprengte die Kettenglieder. Diesmal meinte sie den scharfen Luftstoß des abgeprallten Projektils ganz nah an ihrer Schläfe zu spüren.
Alessandro sprang auf, taumelte, sackte wieder zusammen, wobei er sie fast unter sich begrub. Im letzten Moment warf er sich herum, scharrte mit den Pfoten über den Kellerboden, fand Halt und schien jetzt aufrecht zu stehen. Seine weiche Pantherschnauze presste sich gegen ihren Hals, sein heißer Atem ließ sie schaudern. Sie bekam eine Gänsehaut.
Er schnurrte leise, dann zog er sich zurück.
Im Erdgeschoss, außerhalb des Kellers, herrschte mit einem Mal Ruhe. Kein Pistolenfeuer mehr, keine weiteren Salven.
Neben ihr erklang ein Ächzen. Seine Verwandlung setzte ein. Bald darauf tasteten bebende Finger nach ihr. »Danke«, sagte eine kratzige Stimme, noch nicht ganz seine eigene. Seine Finger waren viel wärmer als ihre.
Und plötzlich spürte sie seine Lippen auf ihren, seine Hand ganz sanft an ihrem Hinterkopf. Er war nackt, das wusste sie, ohne ihn zu sehen, und etwas geschah mit ihr. Was sie für eine Gänsehaut gehalten hatte, war in Wahrheit etwas anderes: Schuppen raschelten jetzt bei jeder ihrer Bewegungen. Ihre Zungenspitze berührte seine und spaltete sich dabei.
Ein Knirschen kam von der Tür zum Keller. Jemand drehte den Schlüssel im Schloss.
Rosa zuckte zurück, nicht sicher, ob der Grund dafür das Geräusch war oder das, was gerade aus ihr zu werden drohte.
»Ich sehe nach«, sagte Alessandro. Jetzt war es zweifellos seine Stimme, aber sie klang noch immer unfertig. Seine Verwandlung war nicht vollständig. Und was war sie selbst? Ein Mensch mit den ersten Merkmalen einer Schlange? Die Kälte in ihrem Inneren drohte sie zu überwältigen, drang in jeden Winkel ihres Körpers vor.
Als er sich von ihr entfernte, bildete sich ihre Zunge zurück. Ihre Augen weiteten sich schmerzhaft und nahmen wieder menschliche Form an. Die rauen Schuppen auf ihrem Handrücken glätteten sich, verwuchsen miteinander und verschmolzen zu Haut.
»Alessandro?«
»Ich bin auf der Treppe.«
Sie setzte sich schwankend in Bewegung, als müsste sich ein Teil von ihr an ihre Beine gewöhnen. Ihre Hand ertastete die Kellerwand, ihre Füße fanden die Treppenstufen. Sie folgte ihm nach oben und bemerkte erleichtert, dass er auf sie wartete.
Gemeinsam traten sie vor die geschlossene Tür. Auf der anderen Seite herrschte Stille.
»Bereit?«, raunte er ihr zu.
»Kein bisschen.«
Sie hörte ihn leise lachen und stellte sich seine Grübchen vor, das Funkeln der grünen Augen.
»Ich muss dir noch was sagen«, flüsterte er.
Im selben Moment wurde die Kellertür aufgerissen.
Panthera
R osa blinzelte in die Helligkeit. Der Schein der Morgensonne fiel durchs Fenster in die ehemalige Küche. Da waren Einschusslöcher in den Wänden und reglose Körper am Boden.
»Kommt raus«, sagte der langhaarige Mann, der die Tür aufgeschlossen hatte. In einer Hand hielt er eine automatische Pistole.
»Remeo?«
Er winkte sie ungeduldig aus dem Keller. »Beeilt euch. Die meisten sind tot, aber ich weiß nicht, was mit den Leuten unten im Tal ist. Vielleicht sind ein paar von ihnen dortgeblieben.«
Rosa blieb auf der Schwelle stehen und drehte sich um. Sie streckte Alessandro eine Hand entgegen. Er trug keine
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