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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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diffuses Licht. Zwischen den Pflanzen mussten Lampen brennen.
    Jetzt wusste sie es. Kein Aquarium. Ein Terrarium .
    Sie hob den Kopf, sah Bewegungen. Schlangen, viele Dutzend, aber keine so groß wie die eine draußen im Wald. Sie hatte keine Angst vor ihnen, weil sie ihr lieber waren als Menschen, die sich um ihren nackten Körper scharten.
    Die Schlangen schmiegten sich an sie, krochen über siehinweg, doch sie machten keine Anstalten, ihr ein Leid zuzufügen. Fast schienen die Tiere sie zu fürchten. Als Rosa an sich hinabblickte, glitten sie blitzschnell von ihrem Körper, zischelten hastig ins Dickicht.
    Kein Traum. Sie war in Florindas Glashaus.
    Die Schlangen wichen in Ehrfurcht zurück, verbargen sich im Schatten, starrten mit Edelsteinaugen aus dem Dunkel herüber.
    Rosa erhob sich und strich trockene Schuppen von ihrer Haut.

Wilde Hunde
    S ie schlief bis zum frühen Nachmittag. Als sie erwachte, war sie nicht sicher, wann in dieser Nacht Wirklichkeit und Traum ineinandergeflossen waren.
    Ihr Körper war sauber und roch nach Seife, aber sie konnte sich nicht erinnern, geduscht zu haben. Ihr Kopfkissen war feucht, wahrscheinlich von ihrem nassen Haar. In der Wanne im Bad neben ihrem Zimmer klebten Schaumreste rund um den Abfluss. Das war beunruhigender als die verwischten Bilder von Riesenschlangen und Raubkatzen, die ihr vor Augen standen. Seit damals waren Erinnerungslücken ihre große Angst. Sie schauderte und ihre Finger hörten gar nicht mehr auf zu zittern.
    Sie trug einen Schlafanzug mit goldenem Blumenaufdruck. Zweifellos stammte er aus Zoes Kleiderschrank. Auf einem Stuhl lagen neutrale schwarze Sachen, die ihre Schwester vor ein paar Tagen in Piazza Armerina für sie aufgetrieben hatte, außerdem das gereinigte Kleid vom Flug.
    Irgendwie schaffte sie es, sich die Zähne zu putzen, als wäre nichts gewesen. Ihr Haar würde auch nach dem Bürsten so wild und zerrauft aussehen wie vorher, aber sie versuchte verkrampft, sich Normalität vorzugaukeln. Mach alles so wie immer. Gib dir keine Blöße. Du hast die Kontrolle.
    Das Problem war, dass sich die Vergangenheit einmal mehr ihrer Kontrolle entzog. Die Ereignisse im Wald, das Erwachen im Glashaus, halb unter Schlangen begraben – nichts hatte sie unter Kontrolle gehabt; sie wusste nicht einmal, was eigentlich passiert war.
    Sie schaffte es gerade noch bis zur Toilettenschüssel, übergab sich, blieb auf den Knien hocken und fühlte sich auf einen Schlag dermaßen entkräftet, dass sie das Gefühl hatte, nicht mehr auf die Beine zu kommen.
    Irgendwann kämpfte sie sich hoch, wusch sich die Tränen aus dem Gesicht, putzte noch einmal ihre Zähne und gurgelte, bis sie keine Luft mehr bekam. Zuletzt zog sie das Minikleid, ein T-Shirt und schwarze Strumpfhosen an. Beim Zubinden der Metallkappenschuhe bebten ihre Finger unaufhörlich und sie fürchtete, niemals damit fertig zu werden.
    Es klopfte an der Zimmertür.
    »Ich bin tot«, sagte sie.
    Zoe trat ein. »Ich noch ein bisschen mehr.« Und damit hatte sie Recht: Sie sah furchtbar aus. Augenscheinlich hatte sie versucht, einige ihrer Prellungen und Blessuren mit Make-up abzudecken, doch das war so erfolgreich, als hätte sie ein Schrottauto mit Farbe und Pinsel auf Vordermann bringen wollen. Sie hatte ein blaues Auge, eine aufgeplatzte Lippe, und am Rand ihres Ausschnitts sah Rosa ein Stück weißen Verband aufleuchten, mit dem ihre Schulter bandagiert war.
    »Wie siehst du denn aus?« Rosa sprang auf, aber das war keine gute Idee. Ihre Knie klappten ein und gleich darauf saß sie wieder auf der Bettkante.
    »Und du?«, fragte Zoe.
    »Du bist verletzt, ich nur verrückt. Also fang du an.«
    Zoe brachte ein schmales Lächeln zu Stande. »Ich war draußen, gestern Abend.« Sie zögerte, weil sie offenbar nicht wusste, ob Rosa ihr gefolgt oder nur zufällig im Wald gewesen war. Sicher ahnte sie die Wahrheit, aber sie ging nicht darauf ein. »Ich war spazieren. Irgendwas hat mich angegriffen. Ein wilder Hund wahrscheinlich. Oder ein ganzes Rudel. Mehr weiß ich nicht, totaler Filmriss. Die Wächter haben mich aufgelesen. Übrigens hab ich das dir zu verdanken – wenn du ihnen nicht schon vorher über den Weg gelaufen wärst und sie den ganzen Berg abgesucht hätten, hätten sie mich nicht so schnell gefunden.«
    Rosa musterte sie durchdringend. »Wahrscheinlich lässt man das mit dem Spazierengehen in dieser Gegend besser bleiben.«
    Zoe hielt ihrem Blick stand. »Wahrscheinlich.«
    Wie viel von dieser

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