Arminius
den Osten gehen, nach Graecia, nach Asia und nach Aegyptus, dort wo der Geist und die Geheimnisse herrschten. Endlich würde er in die Mysterien eingeweiht. Er hatte eine Tragödie verfasst. Es sollte nicht die Letzte sein. Ovid war nicht mehr.
Trotz der großen Verluste, trotz des nicht siegreich beendeten Feldzuges stand Germanicus als Triumphator auf dem Streitwagen, der vom Marsfeld über die Via Flaminia zum Forum gezogen wurde, von den Römern begeistert bejubelt, von den Soldaten mit liebevollem Spott und Hochrufen begleitet. Neben ihm stand, wie es Brauch war, ein Sklave, der ein Wergbüschel verbrannte und ihm beständig ins Ohr brüllte: »Bedenke, dass du nur eine sterblicher Mensch bist!«
In seinem Triumphzug mussten die Gefangenen mitmarschieren, allen voran Elda mit ihrem Sohn auf dem Arm, dem Kind des Arminius, wie alle dachten. Ihre Anwesenheit sollte den Römern den Sieg vorgaukeln, der nicht errungen worden war. Auf der Ehrentribüne aber stand Segestes, von Tiberius endlich für seine Verdienste mit dem römischen Bürgerrecht belohnt, und schaute auf seine Tochter herab. Man hatte beschlossen, sie im Mamertinischen Kerker mitsamt ihrer Brut zu erwürgen. Flavus, der Elda nicht retten konnte und dem es schier das Herz brach, tauschte das Kind gegen ein anderes aus, das unbekannte Eltern ausgesetzt hatten, und gab seinen Neffen, den er Ithalicus nannte, fortan als seinen eigenen Sohn aus.
In der Stunde aber, als die Henker die Schlingen um Eldas Hals und den Hals des Kindes legten und gleichgültig zuzogen, um anschließend die toten Leiber in den Tiber zu werfen, zur gleichen Stunde bedrohte ein blonder Römer den Bürger Segestes in seiner Unterkunft. Ängstlich wollte der Cherusker wissen, was der Römer von ihm wollte. Aber der blickte ihn nur starr an.
»Erkennst du mich denn nicht. Ich bin Germir, Segestes, der Bruder des Ergimer.«
Segestes schüttelte den Kopf, als narrten ihn seine Ohren. »Was willst du? Geld? Fürsprache?«
»Gib dir keine Mühe! Von allem habe ich genug.«
»Was willst du dann von mir?«
»Nur dein Leben, Segestes! Weißt du, wie oft ich an meine Mutter, an meinen Vater denke und wie gern ich sie wiedergesehen hätte?« Mit diesen Worten stieß er dem alten Cherusker seinen Dolch in den Leib.
Als man den Mann am Morgen tot in seinem Blute fand, machte der bestellte Untersuchungsführer Flavus römisches Raubgesindel für den Tod des Cheruskerfürsten verantwortlich, mit dem dieser sich eingelassen haben musste.
Die Römer waren endgültig vertrieben worden, und die germanischen Stämme huldigten ihrem König der Krieger, der ihnen die Freiheit gebracht hatte. Arminius nahm die Ehrungen mit Ungeduld entgegen, denn sein Herz sehnte sich nur danach, seine Frau und seinen Sohn zu befreien. Mit seiner Familie wollte er auf dem Land seines Vaters leben und das genießen, was man Frieden nennt. Endlich hoffte er nur Vater und Bauer zu sein, nichts sonst, und, wenn es die Götter zuließen, eines Tages vielleicht sogar Großvater. Nur ein kleines, einfaches Glück wünschte er sich. Nichts sonst. Und wusste doch nicht, dass bereits dies vermessen war.
Als er sich zurückzuziehen gedachte, um sich endlich um die Dinge seines Herzens zu kümmern, fiel Marbod über die Semnonen her. Wieder musste Arminius ein Heer versammeln, wieder in den Krieg ziehen. Er besiegte Marbod schließlich. Und obwohl der König der Markomannen ihm einst gedroht hatte, tötete er ihn nicht – zu viel Blut war geflossen. Stattdessen schickte er ihn ins Exil nach Rom und setzte einen neuen markomannischen König ein, der auf dem Thing schwor, die Rechte der anderen Stämme zu respektieren.
Auf dem Rückweg von einem Thing übernachtete Arminius eines Nachts bei dem Suebenfürsten Grendel, der ihn eingeladen hatte. Längst hatte er vergessen, dass er in der Schlacht gegen Varus dessen Bruder tötete. Und auch Grendel erinnerte den König nicht daran, sondern bewirtete ihn freundlich. Als Arminius am nächsten Tag nach Hause kam, fühlte er sich vollkommen erschöpft und legte sich zu Bett. Doch sein Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag. Man rief Nehalenia. Nachdem sie sich angehört, was ihn plagte, und ihn untersuchte hatte, sah sie ihn traurig an.
Arminius lächelte schwach. »Wir kennen uns jetzt solange. Sag mir, was es ist.«
»Man hat dich vergiftet. Ich kann nichts dagegen tun.«
Der König dachte kurz nach, dann erinnerte er sich und stöhnte leise auf. »Ach Grendel,
Weitere Kostenlose Bücher