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Arminius

Arminius

Titel: Arminius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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sein, wir Cherusker kennen keine Herren!«
    Der Anführer zeigte wortlos auf den Fürsten, dann auf die anderen Männer, schließlich auf den Stall im hinteren Teil des Langhauses, in dem die Tiere in den Boxen stampften und brüllten, als spürten sie instinktiv die Gefahr.
    Sechs römische Soldaten stürzten sich auf Segimer, schlugen und fesselten ihn. Das Gleiche taten sie mit den andern Männern, während ein paar Legionäre die cheruskischen Frauen mit blankgezogenen Waffen in eine Ecke der Wohnhalle drängten. Mit aufgerissenem Mund und schreckgeweiteten Augen verfolgte Ergimer das Geschehen.
    »Das ist für deine Schulden bei Augustus! Die Steuer, die du jedes Jahr zu entrichten hast. Merk es dir, Schwachkopf«, raunzte der Centurio, bevor er dem gefesselten Segimer einen Schlag versetzte, der diesen niederstreckte. Dann hieb der Römer mit der Rute, mit der er sonst nachlässige Legionäre seiner Hundertschaft zu verprügeln pflegte, auf den am Boden liegenden Fürsten ein. Der Centurio trug den Spitznamen ›Noch einen‹, weil er bei der Bestrafung seiner Untergebenen so derb zuschlug, dass ihm hin und wieder der vitis, der geschnitzte Stock des Centurio, zerbrach. Dann verlangte er ›noch einen‹, um die Züchtigung fortzusetzen, die er jedes Mal genoss.
    Unter Schmerzen richtete sich Segimer wieder auf und blickte dem Eindringling mit ungebrochenem Stolz in die Augen. Plötzlich vernahm Ergimer ein verzweifeltes Quieken, ein Röcheln, ein Gurgeln und dumpfe Aufschläge aus dem Stallbereich des Langhauses. Von da an wusste der Knabe, dass auch die Tiere Angst fühlen.
    Unbemerkt kroch er zum Durchgang. Fassungslos beobachtete er, wie die Römer mit wilder Freude Rinder und Schweine abstachen. Hinter sich hörte er den germanischen Verräter den Hohn des Centurio übersetzen: »Und das ist dafür, dass du nie wieder vergisst, deine Steuer zu entrichten, Barbar! Jedes Jahr zur Sonnenwende lieferst du uns acht Rinder ab! Wenn du noch einmal wagen solltest, dich zu widersetzen, oder in Verzug gerätst, zünden wir diesen Stall an und verkaufen deine Sippe in die Sklaverei!«
    Dann zogen die Römer ab und ließen die Wohnhalle des Fürsten Segimer verwüstet zurück. Hasserfüllte Blicke folgten ihnen.
    Ergimer sah in die Gesichter seiner Verwandten. Sie waren wie erstarrt, fassungslos gegenüber dem Unheil, das ohne Vorwarnung über sie hereingebrochen war. Endlich konnte der Junge zu seinem Vater rennen und schlang stürmisch die Arme um ihn. Es war, als habe Ergimer den Bann gebrochen, denn augenblicklich kehrte Leben in die Menschen zurück. Wortlos begannen sie aufzuräumen oder schauten nach dem toten Vieh. Das sinnlose Gemetzel an den Rindern und Schweinen trieb vielen die Tränen in die Augen. Ergimer bemühte sich, die Fesseln des Vaters zu lösen, sein Bruder kam ihm mit einem Messer zu Hilfe. Als die Stricke von Segimer abfielen, reckte und streckte sich der Cheruskerfürst. Dann strich er Germir über den Kopf, bevor er Ergimer in die Arme schloss. Er drückte ihn fest an sich, als wollte er ihm etwas von seiner Kraft abgeben. »Das waren Römer, vergiss das niemals, mein Sohn!«
    »Keine bösen Geister? Keine Unholde?«
    »Nein, so etwas tun nur Menschen. Geht, meine Söhne, helft den Frauen und Alten aufzuräumen.« Lauter fuhr er fort: »Die Männer kommen mit mir.«
    Stumm und innerlich vor Wut bebend folgten die Cherusker der Aufforderung ihres Fürsten und verließen die Halle.
    »Sie holen die Waffen«, flüsterte Germir seinem Bruder zu, im Gesicht rote Flecken vor Aufregung. Ergimer wusste, dass sich in dem kleinen Vorratshaus, das der Wohnhalle am nächsten stand, unter dem Erdboden die Rüstkammer seines Vaters befand, in der allerlei Schwerter, Schilder, Spieße, Speere, Pfeile und Bögen aufbewahrt wurden. Damit stattete der Fürst im Kriegsfall seine Gefolgsleute aus.
    Pfiffe hallten durch die Nacht. Am vertrauten Gewieher und Getrappel erkannte Ergimer, dass die von den Römern vertriebenen Reitpferde zurückkehrten. Wenig später hörte er, dass die sechs Männer aufsaßen und wegritten. Den Römern nach, dachte der Knabe beunruhigt und zugleich stolz auf die Kühnheit seines Vaters. Schließlich würden im besten Fall dreißig Cherusker einhundert gut ausgebildeten römischen Legionären gegenüberstehen – vorausgesetzt, dem Vater gelänge es, alle Gefolgsleute aus der unmittelbaren Nachbarschaft zusammenzubringen.

    Nach vielen Stunden harter Arbeit hatten die Frauen, Alten

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