Ash
lachen. Die kleine niedliche Leyla kann eine ganz schön große Klappe haben. Ob sie sich das bei Saron auch traut? Es gelingt mir, mich auf die Seite zu drehen, und ich sehe gerade noch, wie Ash Leyla einen Kinnhaken versetzt. Leyla fällt sofort um wie ein Baum und bleibt reglos liegen.
Dann ist Ash auch schon bei mir. Er zieht seinen Mantel aus und wickelt mich darin ein. Als wiege ich nicht mehr als eine Feder, hebt er mich hoch.
„ Zu … spät“, bringe ich heraus, und will ihm meine mit Seths Zeichen versehene Hand zeigen. Doch Ash kümmert sich nicht darum. Er trägt mich in den Lastenaufzug, und ich bekomme nur wie aus weiter Ferne mit, dass er den langen dunklen Gang zum Hinterausgang nimmt, durch den mich die beiden Mutanten bei meiner Entführung getragen haben. Wie lange ist das her? Ich weiß es nicht mehr. Alles dreht sich so fürchterlich.
Kalte Luft strömt in meine Lungen, als Ash das Tenfathers mit mir auf dem Arm verlässt. Was jetzt? Mir ist mittlerweile total schlecht von dem Geschüttele.
Ash geht nach rechts oder nach links, ich weiß es nicht, auf jeden Fall trägt er mich fort vom Tenfathers . Seine Schritte sind gleichmäßig, und er zeigt keine Anzeichen von Ermüdung. Langsam gewöhne ich mich an seine Schrittfolge. Beschütze mich … denke ich, und im nächsten Moment ... Seth wird mich umbringen …
Ash bekommt von meinen inneren Seelenqualen nichts mit. Ich weiß nicht, wo wir sind. Aber dieses Viertel von Daytown kommt mir bekannt vor. Nicht so schäbig wie das, in dem ich wohne, sondern sauber, beleuchtet und sicher. Uns begegnet kein einziger Mensch oder Mutant. Das Viertel scheint nahezu verlassen.
Mit dem Fuß öffnet Ash die Glastür eines Hauses. Die Tür kommt mir auch bekannt vor … und in meinem Alkoholrausch erinnere ich mich, dass Ash hier wohnt. Er bringt mich also in sein Apartment … dort, wo wir das erste Mal … mein Verstand driftet wieder ab.
Das Nächste, was ich weiß, ist, dass Ash mich auf sein Bett legt. Ich rieche den Duft frischer Laken, die wundervoll nach ihm riechen. So vertraut. Ash beugt sich über mich. Wie von ferne höre ich seine Stimme auf mich einreden. Mir ist furchtbar schlecht. Ich rolle mich auf die Seite. „Ich … muss sterben ...“, nuschele ich.
„ Nein, du bist nur betrunken ...“
Höre ich da Belustigung in seiner Stimme? Immerhin habe ich das alles aus purem Selbsterhaltungstrieb getan, so unsinnig sich das auch anhören mag. Ich kneife die Augen zusammen – langsam sehe ich nur noch verschwommen.
Ash runzelt die Stirn. „Du musst erstmal schlafen … Himmel, du riechst wie eine Schnapsraffinerie. Gottseidank sind Seth und die Anderen noch eine Weile mit den Rebellen beschäftigt.“
Ich stöhne. Was interessieren mich die Rebellen? Ich habe das Gefühl, dass mir gleich alles aus dem Gesicht fällt.
„ Wasser …?“, gelingt es mir zu sagen, und Ash steht auf, um mir ein Glas zu holen. Das Letzte, an was ich mich erinnere, ist der Anblick seines breiten Rückens. Als er mit dem Wasser zurückkommt, bin ich wieder in einen ohnmachtsähnlichen Schlaf gefallen.
Ich öffne die Augen, und es geht es mir besser. Nicht gut, aber weitaus besser als zuvor.
Ash liegt neben mir im Bett und schläft. Seine Atemzüge sind ruhig. Er wirkt erschöpft und angespannt.
Leise stehe ich auf und gehe Richtung Badezimmer. Ein wenig schwindelig ist mir noch, aber ich bin froh, dass ich mich nicht habe übergeben müssen. Mein exzessiver Rauschzustand ist mir jetzt, wo mein Kopf wieder klar ist, peinlich.
Im Badezimmer werfe ich einen sehnsüchtigen Blick auf die Badewanne, widerstehe aber der Versuchung und entscheide mich für die Dusche in der Ecke.
Als das warme Wasser auf meiner Haut prickelt, erwachen langsam meine Lebensgeister.
Ich stelle mir vor, mit Ash unter der Dusche zu stehen, obwohl meine Gefühle für ihn einen bitteren Beigeschmack bekommen haben. Er hat mich gerettet – das stimmt. Aber er hat lange damit gewartet, und wenn Leyla nicht gewesen wäre …
Ich schalte das Wasser aus und wickele mich in ein weiches Handtuch. Das Handtuch ist so flauschig, dass es nicht aus Recyclingmaterial hergestellt sein kann. Auch bei Seth gab es solche Handtücher, und ich gestehe mir ein, dass man sich an diesen Komfort gewöhnen kann.
Leider zeigt der Spiegel deutlich den Alkoholrausch der letzten Nacht. Das Make-up ist verlaufen.
Schnell wasche ich mir das Gesicht und sehe das erste Mal seit Langem der alten Taya Bennett
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