Kammerflimmern
1
»Sie müssen noch etwas tiefer graben«, forderte der Mann mit deutlichem Akzent.
Patzke wischte sich den Schweiß vom Gesicht, trat erneut auf den Spaten und hob eine weitere Ladung Erde aus dem Boden.
Die beiden Männer, von denen der eine ihn eben aufgefordert hatte, tiefer zu graben, kannte er seit drei Tagen. Sie hatten ihn angerufen, sich mit ihm auf einem Autobahnparkplatz getroffen und ihm ein verlockendes Angebot gemacht:
»Wenn Sie uns helfen, Goldberg zu beseitigen, kriegen Sie so viel Geld, dass Sie Ihre Werkstatt wieder aufmachen können«, hatte der Größere der beiden gesagt. Sonst hatte er seitdem nicht viel gesprochen, das übernahm der Kleinere.
Goldberg beseitigen und meine Werkstatt zurückbekommen, dachte Patzke, das sind die Dinge, die ich mir wirklich wünsche. Wirklich.
Wieder trieb er den Spaten in den Boden, hob ihn nach oben und warf die Erde neben das Loch.
»Sie dürfen mit niemandem darüber reden«, hatte der Kleine von ihm verlangt.
Natürlich hatte er mit niemandem darüber geredet. Mit keinem Menschen, auch nicht mit seiner Frau.
Und nun stand er hier im Wald und grub ein Loch für dieses Arschloch, das in ein paar Minuten anfangen würde zu vergammeln. Das hatte er sich bestimmt anders vorgestellt, der Herr Rechtsverdreher, der die Schuld an seiner Pleite vor drei Monaten hatte.
Nie hätte Patzke gedacht, dass er einmal diese Chance zur Rache bekommen würde, und er hatte die beiden auch nicht gefragt, warum sie ihm das Angebot gemacht hatten. Vielleicht waren sie auch von Goldberg hereingelegt worden, aber das war ihm so was von egal. Ihm war wichtig, dass er nächste Woche seine Schulden bezahlen und wieder in seine Werkstatt gehen konnte.
Er hob den Kopf und sah zu Goldberg, der mit hängenden Schultern und vor dem Bauch gefesselten Händen neben dem Großen stand und auf den Boden starrte.
Wahrscheinlich hat er sich in sein Schicksal gefügt, dachte Patzke. Er weiß, dass er gleich tot sein wird. Und dass er nichts dagegen tun kann.
Zwei Stunden zuvor hatten sie sich in der Innenstadt getroffen. Goldberg hatte schon mit gefesselten Händen und verheultem Gesicht auf der Rückbank des großen BMW gesessen. Dann waren sie zu viert in den Reinhardswald gefahren.
»Es reicht, glaube ich!«, rief der Kleine ihm zu.
Patzke hob den Spaten ein letztes Mal über den Rand des Lochs hinweg, ließ ihn auf den Erdhaufen fallen, den er in der vergangenen halben Stunde aufgeschüttet hatte, und streckte den rechten Arm aus.
»Helfen Sie mir raus, sonst sehe ich gleich aus wie eine Sau!«, rief er dem Kleinen zu.
»Bleiben Sie noch einen Moment unten, es kann ja sein, dass er schlecht fällt.«
Ist mir doch scheißegal, wie der fällt, dachte Patzke, sagte aber nichts.
Der Große trat neben Goldberg, dessen Beine jetzt deutlich sichtbar zitterten, und zog ihn am Arm, doch der dunkelhaarige Mann, dessen feistes Gesicht im Dunst des Wintertages gespenstisch und blutleer wirkte, bewegte sich nicht.
»Machen Sie es sich bitte nicht schwerer als notwendig. Kommen Sie, es wird alles ganz schnell gehen«, forderte der Große ihn auf.
Goldberg wollte sich losreißen, hatte jedoch nicht den Hauch einer Chance. Langsam und widerstrebend ging er vorwärts und hatte nach ein paar Schritten die Kante erreicht. Mit der linken Hand wischte er sich eine Träne aus dem Gesicht.
Patzke sah ihm von unten dabei zu und verspürte zum ersten Mal so etwas wie Mitleid. Am liebsten wäre er jetzt abgehauen, weil er mit diesem Mord eigentlich gar nichts zu tun haben wollte, aber er wusste, dass seine neuen Freunde das nicht lustig finden würden.
Der Kleine sah noch einmal hinunter ins Loch und ging dann ganz ruhig auf Goldberg zu. Dabei hob er langsam seine Pistole, die er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, und zielte schließlich auf Goldbergs Kopf. Der schloss die Augen, fing laut an zu schluchzen und fiel auf die Knie. Einer ruhigen Bewegung des Armes folgend, fuhr die Hand des Kleinen mit der Pistole darin ebenfalls abwärts und nahm erneut den Kopf ins Visier. Dann schien der Mann es sich anders zu überlegen, hob den Arm ein kleines Stück und drückte ab.
Patzke spürte den Schlag in der Brust, bevor er verstand, was passiert sein musste. Durch den Aufprall des Projektils wurde sein Körper nach hinten geschleudert und fiel auf die nasse Erde. Er versuchte, Luft zu holen, doch es kam ihm vor, als wäre seine Lunge ein Eisklumpen. Kalt und unbeweglich.
Den
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