Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
Das hätte sie niemals gewollt.«
»Na, dann ist es ja ganz gut, dass sie nicht mehr da sind und mit mir herumstreiten können.«
Innerhalb einer Nanosekunde wurde Tante Hannahs eben noch sentimentale Stimme eiskalt. »Rede nicht in diesem Ton mit mir, Alexandra. Du bist erst siebzehn. Du bist eine schwer kranke junge Frau und noch nicht alt genug, um selbst zu wissen, was in dieser Situation das Beste für dich ist. Sturheit und Selbstmitleid führen zu nichts.«
Dieses ganze Gespräch führte zu nichts. Tante Hannah sah in ihr lediglich eine siebzehnjährige Waise mit einem tennisballgroßen Tumor im Hirn, die letztlich der Belastung nicht mehr standhielt. »Ich weiß, Tante Hannah. In Selbstmitleid zu schwelgen und anderen auf die Nerven zu gehen bringt nichts.«
»Gut. Das haben wir also geklärt.« Ihre Tante schnäuzte sich in ein Taschentuch. »Wann kommst du zurück?«
Ähm … vielleicht nie? »In der ersten Oktoberwoche. Vielleicht … am achten?«
Sie hörte ihre Tante leise zählen. »Zwölf Tage? Warum so lang?«
»So lange dauert es, hin- und zurückzuwandern.«
» Wandern? «
»Na ja, Straßen gibt es dort nicht.«
»Das ist nicht dein Ernst! So viel Kraft hast du nicht.«
»Doch. Der letzte Behandlungszyklus liegt drei Monate zurück. Seitdem bin ich gelaufen und geschwommen und habe Krafttraining gemacht und auch wieder zugenommen. Ich bin ziemlich fit.«
»Aber was ist mit der neuen Therapie? Die soll doch in drei Tagen anfangen und …«
»Ich mache keine Therapie mehr.«
»Dr. Barrett hat ganz klar gesagt, dass die neue Behandlung …« Ihrer Tante verschlug es die Sprache, als Alex’ Worte in ihr Bewusstsein drangen. »Was? Was soll das heißen, du machst keine Therapie mehr? Sei nicht albern. Natürlich machst du weiter. Was redest du da?«
»Ich sage, mir reicht’s, Tante Hannah.«
»Aber … aber dieses neuartige Medikament«, stammelte ihre Tante. »Die Injektionen, die Nanosensoren …«
»Du weißt, dass sie nicht funktionieren.« Wie das neue Medikament waren auch die Nanosensoren nur ein Versuch: winzige, mit einer giftigen Substanz gefüllte Kapseln, umhüllt von einem speziellen lichtempfindlichen Material. Nach der Injektion in den Blutkreislauf machten sich die Sensoren auf den Weg ins Gehirn und lagerten sich an dem Tumor an – einem zähen Monster, das auch nach einem Dutzend Chemotherapien und Bestrahlungen nicht sterben wollte. Aktiviert durch eine optische Sonde, sollten die Kapseln dann ihre tödliche Ladung freisetzen. Bei Alex hatte es trotz mittlerweile vier Versuchen nicht geklappt, obwohl die Ärzte ihr so viele Nanosensoren ins Hirn gejagt hatten, dass man ein paar Dutzend Flipperautomaten damit hätte bestücken können.
»Du musst Geduld haben, Alexandra.«
Du hast leicht reden. Du hast ja Zeit! »Es ist jetzt zwei Jahre her, dass sie das Ding gefunden haben. Nichts hat geholfen.«
»Stimmt, aber der Tumor wächst relativ langsam. Dr. Barrett sagt, du könntest durchaus noch etliche Jahre zu leben haben, und bis dahin gibt es neue Medikamente.«
»Oder auch nicht. Ich halte das einfach nicht mehr aus.« Sie rechnete mit einem Proteststurm am anderen Ende der Leitung, aber da herrschte Totenstille. Das Schweigen dauerte so lange, dass Alex schon dachte, die Verbindung wäre unterbrochen. »Tante Hannah?«
»Ich bin noch da.« Pause. Noch immer Pause. »Wann hast du deine Entscheidung getroffen?«
»Nach meinem Termin bei Barrett letzte Woche.«
»Und warum jetzt?«
Weil meine linke Hand zittert, dachte Alex. Weil ich nichts mehr riechen kann. Weil ich den Kopf voller klitzekleiner Kügelchen habe, die nicht tun, was sie sollen, und das bedeutet noch mehr Chemo und Bestrahlung, und ich hab’s so satt, dass mir die Haare ausfallen und ich mir wegen nichts und wieder nichts die Seele aus dem Leib kotze und meine Hausaufgaben im Bett machen muss, und ich gehe in keine Sterbeklinik. Denn jetzt bestimme ausnahmsweise mal ich , wo’s langgeht.
Aber sie antwortete: »Ich glaube, es gibt keinen besseren Zeitpunkt. Ich muss das hinter mich bringen, solange ich noch kann.«
Wieder Stille. »Ich nehme an, die Schulleitung wird nach dir fragen. Und Dr. Barrett wird der Schlag treffen.«
Insgeheim, dachte sie, wird Barrett womöglich erleichtert sein. Dann braucht er keine gute Miene zum bösen Spiel mehr zu machen. »Was willst du ihnen sagen?«
»Mir wird schon was einfallen. Rufst du an?«
»Wenn ich es zurückgeschafft habe«, sagte sie, unsicher,
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