Astrilandis Buch 1
fühlte sich jetzt auch wieder wohler in seiner Haut, denn das Flusswasser hatte die schmutzverkrusteten Füße und seine Haare gewaschen. Wenn Hero es seinen Freunden gegenüber auch nie zugegeben hätte: die Annehmlichkeiten des Palastlebens vermisste er sehr, das reichliche Essen, die ruhigen Stunden auf seinem weichen Lager und die frischen Kleider, die ihm Amira überstreifte. Er war froh darüber, dass er wenigstens Cid bei sich hatte, der jetzt kein kleiner Wolf mehr war. Er reichte ihm bis zum Knie und durch das viele Laufen war er kräftig und muskulös geworden. Auch sein Knurren klang nun so bedrohlich, dass selbst seine Freunde gelegentlich Abstand hielten. Auch Hero hatte sich verändert. Seine Arme und Beine waren stärker geworden und seine Hände und Füße waren voller Schwielen.
Während sie die Anhöhe hinauf ritten und Hero seinen Gürtel mit dem Schwert enger band, bemerkte er plötzlich, dass sich zwischen seinen Fingern kleine Häutchen gebildet hatten, wie er sie bei Laonira und Myadne gesehen hatte. Er erschrak so sehr, dass er beinahe von Volcano gestürzt wäre, nachdem er beide Beine ausstreckte und auch seine Zehen begutachtete. Auch dort waren die Häutchen zu sehen, obwohl sie noch sehr dünn und hell waren. Hero trat kalter Schweiß auf die Stirn. Sollte nun das Orakel versagt haben und der Fluch des Meeres über ihn kommen? Die weisen Frauen hatten ihn gewarnt, als sie ihm damals erklärt hatten, er müsse sich entscheiden, welcher Gattung er angehören wolle. Doch sie hatten ihm nicht verraten, wann dieser Fluch über ihn kommen würde. Vielleicht hatte die Berührung von Laoniras Händen damit zu tun, als sie ihm die heilenden Salben auf die Brust rieb. Heros Gedanken überschlugen sich, er suchte krampfhaft nach einer Erklärung für diese Wandlung. Er wollte kein Salsivare sein, seine Heimat war Astrilandis und er war ein Astrilandier. Er musste diese Veränderungen unbedingt vor seinen Freunden geheim halten. Sie würden nicht verstehen, was mit ihm vor sich ging. Mit Wehmut dachte er daran, dass er seine Schuhe verloren hatte. Während er noch seinen Gedanken nachhing, rief Kanto, der inzwischen die Führung übernommen hatte:
„Ich sehe dort drüben Rauch aufsteigen!“, er zeigte in nordöstlicher Richtung, wo sie die Mine vermuteten. Die Pferde konnten auf dem schmalen Pfad nur hintereinander gehen und Hero bat seine Freunde abzusteigen, um weniger auffallend zu sein. Inzwischen hatten sie die Passhöhe erreicht und nach ein paar Schritten blieb Hero wie angewurzelt stehen. Direkt vor seinen Füßen tat sich ein riesiger Abgrund auf, der so tief war, dass man an seiner tiefsten Stelle keine Einzelheiten erkennen konnte. Die Freunde blickten verdutzt in die Senkung. War das die Mine, die sie gesucht hatten? Sie gingen ein Stück am obersten Rand des Abgrundes entlang, bis sie einen sich abwärts schlängelnden Pfad entdeckten.
Hero schlug vor, die Pferde hinter großen Felsbrocken oben anzubinden, und zu Fuß weiterzugehen. Auch Cid ließ er schweren Herzens zurück, da er sie durch Winseln oder Bellen verraten konnte. Sie mussten herausfinden, was in dieser Mine vor sich ging. Erst als sie die Tiere hinter einem Felsvorsprung, der nicht zu nahe am Trichter lag, angebunden hatten, nahmen sie ihre Waffen und Hero band sich auch seinen Köcher mit den todbringenden Pfeilen auf den Rücken. Dann machten sie sich an den Abstieg. Die Wände waren steil und völlig glatt abgetragen, nur der Pfad bot einigermaßen Halt, so dass sie Acht geben mussten nicht abzurutschen oder abzustürzen. Heros Beine waren abgeschrammt und blutverkrustet, Ipmeos und Kanto erging es nicht besser. Wilde Verwünschungen ausstoßend stiegen sie tiefer und tiefer. Plötzlich hielt Hero an. Er duckte sich hinter einem Steinbrocken und zeigte in die Tiefe: „Seht ihr das da unten?“, fragte er seine Freunde. Bei genauem Hinsehen erkannte man eine sich langsam bewegende Schlange von grauen Gestalten, die große Körbe auf den Rücken trugen. Diese Schlange wand sich durch die ganze Talsohle und wurde auf der anderen Seite vom Berg verschluckt. Sie mussten jetzt auf der Hut sein, um selbst nicht gesehen zu werden. Hero befahl den Freunden zurück zu bleiben. Er ging allein weiter, er wollte sehen, ob er Mita erkennen konnte. Doch die schräg einfallende Sonne blendete ihn so stark, dass er nicht sehen konnte, ob es sich bei den Gestalten um Frauen oder Männer handelte. Wenn die Sonne hinter dem
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