Aszendent Blödmann
keine andere Wahl haben, als dich zur Marketingleiterin zu machen.«
»Wenn du meinst«, antwortete ich immer noch nicht restlos überzeugt.
»Davon mal abgesehen, wirkt der Neue doch eigentlich ganz sympathisch, findest du nicht?«
»Der erste Eindruck kann leicht täuschen«, antwortete ich vage. »Aber ich habe ihn mir noch gar nicht so genau angeschaut.«
»Braves Mädchen. So ist’s recht. Schön, dass du nur Augen für mich hast«, frotzelte Conrad. »Apropos: Sehen wir uns heute Abend?«
»Nein, heute ist Montag. Da ist Ben an der Reihe. Das weißt du doch.«
»Ach ja, richtig. Schade, ich dachte, wir könnten bei dem schönen Wetter ein paar Steaks auf den Grill schmeißen. Gibt es denn nichts, womit du dich umstimmen lässt?« Conrad nahm seine Lesebrille ab und streifte dabei wie zufällig mit seinem Ellenbogen meinen Busen.
Ein Schauer huschte meinen Rücken rauf und anschließend wieder runter. Doch ich widerstand sowohl der Aussicht auf ein saftiges Steak als auch allen anderen fleischlichen Gelüsten. »Nein, nichts zu machen.«
»Es fällt mir eben schwer, dich zu teilen.« Zärtlich streichelte Conrad meine Hand, ließ sie aber sogleich wieder los, als sich am anderen Ende des Flurs eine Tür öffnete. Claus-Dieter trat mit hängendem Kopf auf den Gang hinaus. Obwohl er den Blick starr auf den Boden gerichtet hatte, wichen Conrad und ich unwillkürlich ein paar Schritte auseinander.
Conrad blinzelte mir verschwörerisch zu. »Gut, Melina, wir machen das dann wie besprochen«, trompetete er so laut, dass Claus-Dieter am anderen Ende des Flurs vor Schreck zusammenzuckte. »Legen Sie die Unterlagen einfach auf meinen Schreibtisch.«
Kapitel 2
P unkt achtzehn Uhr drückte ich den Klingelknopf. Ich hasste es, zu spät zu kommen, und hielt mich – sofern der liebe Gott oder der Verkehr mir keinen Strich durch die Rechnung machten – minutiös an vereinbarte Termine. Sogar meine Periode hatte ich im Laufe der Jahre zur Pünktlichkeit erzogen.
Während ich darauf wartete, dass meine Freundin mir die Tür öffnete, betrachtete ich das kleine Kunstwerk, das neben dem Briefkasten des schmucken Einfamilienhauses hing. »Hier wohnen Charlotte, Andreas und Ben.« Charlotte und ihre beiden »Männer« waren ein echtes Dreamteam! Ich beneidete meine Freundin um diese Familienidylle. Ich wollte auch so ein hübsches buntes Tonschild an der Eingangstür hängen haben. Aber das war das Privileg von Menschen mit Kindern. Außerdem: Was sollte auf meinem Schild schon großartig draufstehen? HIER HAUST MELINA hätte irgendwie ein bisschen mitleiderregend gewirkt.
Bevor ich ins Grübeln geraten konnte, öffnete Charlotte mir die Tür. Auf dem Arm hielt sie Sohnemann Ben. Der kleine Kerl gluckste vor Freude, als er mich sah. Schwupp, schon traten alle düsteren Gedanken in den Hintergrund.
Ein Babylächeln wirkt wie eine Droge: Man wird sofort high und tut alles, um mehr davon zu bekommen. Vorzugsweise sich zum Affen machen. Man schneidet dämliche Grimassen, schlackert mit der Zunge und rutscht wie ein gehirnamputiertes Lebewesen grunzend und bellend auf dem Fußboden herum. Erst einmal begnügte ich mich jedoch damit, dem süßen Fratz spielerisch in die speckigen Waden zu beißen, was mit einem entzückenden Lächeln belohnt wurde. Mann, tat das gut! Das erste Mal seit dem morgendlichen Meeting hatte ich das Gefühl, wieder richtig durchatmen zu können.
»Schön, dass du da bist.« Mit dem freien Arm zog Charlotte mich an sich. »Ist die Bluse neu? Tolle Farbe, steht dir. Gut siehst du aus.«
»Du aber auch«, flunkerte ich.
Diese charmante kleine Lüge war ich meiner besten Freundin, die seit mehreren Monaten unter akutem Schlafentzug litt, schuldig. Kaum waren die Dreimonatskoliken vorüber gewesen, hatte Ben zu zahnen begonnen. Ruhige Nächte kannte Charlotte seit der Geburt des kleinen Wonneproppens nur aus den Erzählungen anderer Mütter, die sich damit brüsteten, dass ihr Maximilian oder ihre Anna-Maria vom ersten Tag an durchgeschlafen hatte. Ich an Charlottes Stelle hätte besagte Mamas, ohne lange zu fackeln, mit einer Rassel bewusstlos geschlagen oder mit einem Lätzchen geknebelt. Meine Freundin hingegen lud diese unsensiblen Weiber weiter zu sich nach Hause ein und hörte sich bei Kaffee und selbst gebackenem Kuchen stundenlang Geschichten über ihre Wunderkinder an. Ich fand allein dafür hatte Charlotte sich das bunte Schild an der Haustür redlich verdient.
Charlotte drückte mich
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