Aszendent Blödmann
Kapitel 1
B esser hätte der Tag gar nicht beginnen können: Ich war mit einem zärtlichen Kuss geweckt worden, hatte eine Tasse Kaffee ans Bett gebracht bekommen und war, nachdem ich mich in aller Ruhe geduscht und zurechtgemacht hatte, gut gelaunt in mein Auto gestiegen. Nichts, aber auch wirklich gar nichts, deutete darauf hin, welches Unheil sich bereits wie eine dunkle Gewitterwolke über meinem Kopf zusammengebraut hatte.
Wenn wenigstens eine schwarze Katze meinen Weg gekreuzt hätte, mein Wagen nicht angesprungen wäre, oder wenn es wie aus Kübeln gegossen hätte! Dann wäre ich möglicherweise vorgewarnt gewesen. Doch so wog ich mich in trügerischer Sicherheit. Die Sonne lachte vom strahlend blauen Himmel. Kein Wölkchen war zu sehen. Hach, was für ein prachtvoller Sommermorgen!
Mein Unterbewusstsein, auf das sonst immer Verlass war, gab nicht einen einzigen Mucks von sich. Entweder es wollte mir eins auswischen, oder es träumte nach einem herrlichen Wochenende noch selig vor sich hin. O. K., da war dieses leichte Magengrummeln. Aber das hielt ich für Hunger, und so machte ich auf dem Weg zur Arbeit noch einen kurzen Pitstop an der Bäckerei.
Meine Brötchen und das, was ich sonst noch so zum Leben brauchte, verdiente ich dort, wo andere Leute ihren Urlaub verbringen: in einem Hotel im sonnigen Süden. Nun ist Bayern nicht gerade Spanien oder die Malediven, aber doch zumindest der südlichste Teil Deutschlands. Eingebettet zwischen saftig grünen Wiesen und schattigen Wäldern lag das Wallemrath Hotel an einem kleinen, malerischen Badesee, etwa eine Autostunde von München entfernt.
Ich liebte dieses Fleckchen Erde! Besonders zu so früher Stunde, wenn die Luft noch frisch und das Wasser glatt wie ein Spiegel war. Durch das halb geöffnete Autofenster hörte ich das ungeduldige Schnattern der Enten, die unten am Ufer darauf warteten, dass die Hotelgäste endlich zum Strand kamen und mit ihnen die Reste ihres Frühstücks teilten.
Nur widerstrebend riss ich mich von dieser morgendlichen Idylle los, steuerte mein Auto auf den Personalparkplatz und betrat das Hotel. Nach einem kurzen Abstecher in mein Büro marschierte ich kurz vor halb neun pünktlich in den Konferenzraum. Während alle Anwesenden meinen fröhlichen Guten-Morgen-Gruß mehr oder weniger enthusiastisch erwiderten, hob Ilka Wallemrath, die Juniorchefin des Hotels, lediglich kurz den Kopf, nickte mir wortlos zu und vertiefte sich dann wieder in ihre Unterlagen. Ilkas schroffe Art war nun wirklich kein Anlass zur Besorgnis. Im Gegenteil: Alles war wie immer. Zumindest noch …
Verena, die Leiterin des Empfangs, hatte mir einen Platz neben sich frei gehalten. »So wie du strahlst, brauche ich dich gar nicht zu fragen, ob du ein schönes Wochenende hattest«, stellte sie mit leicht neidischem Unterton fest.
Ich setzte mich und goss mir eine Tasse Kaffee ein. »Ich kann nicht klagen. Und wie war dein Wochenende?«
Bevor Verena antworten konnte, funkte Ilka uns in ihrer gewohnt charmanten Art dazwischen. »Ich unterbreche Ihr kleines Kaffeekränzchen ja nur ungern«, ihr Blick ruhte auf mir wie kalte, nasse Umschläge, »aber sicher macht es Ihnen nichts aus, die Tür zu schließen, die Sie nach dem Betreten des Konferenzraums offen gelassen haben.«
Ich ballte die Faust in der Tasche und schluckte eine bissige Erwiderung, die mir bereits auf der Zunge lag, herunter. Es hatte sowieso keinen Zweck, sich über Ilkas Verhalten aufzuregen oder sich mit ihr anzulegen.
»Na, die ist ja heute wieder in Topform«, flüsterte Verena mir zu, nachdem ich Ilkas Wunsch – oder sollte ich besser Befehl sagen? – nachgekommen war.
»Tja, so kennen wir sie«, antwortete ich lapidar. So leicht würde ich mir von dieser Giftspritze nicht die Laune verderben lassen. Da musste sie schon schwerere Geschütze auffahren. »Aber jetzt erzähl schon«, forderte ich Verena auf. »Was hast du am Wochenende getrieben?«
»Meinen Kindern den Kopf über die Kloschüssel gehalten und Zwiebäcke verteilt.« Verena zog eine Grimasse. »Offenbar grassiert wieder so ein blöder Magen-Darm-Virus. Ich hoffe nur, dass wenigstens ich davon verschont bleibe.«
Das hoffte ich natürlich auch, rückte aber sicherheitshalber mit meinem Stuhl ein paar Zentimeter näher an Werner heran. Der trällerte wie üblich ein Liedchen vor sich hin. Eins musste man unserem singenden Küchenchef lassen: Er war wirklich überaus talentiert! Niemand konnte so knusprige Schweinshaxen
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